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Ablauforganisation

Assistenz bei der Kastration von Pferd und Esel

Die TFA übernimmt im Rahmen einer Kastration verantwortungsvolle Aufgaben. Möglichst umfassende Grundkenntnisse sind für einen reibungslosen Ablauf von Bedeutung.


Von PD Dr. med vet. Claus Peter Bartmann

Unter Kastration wird die vollständige Entfernung der Keimdrüsen, im Fall des männlichen Equiden beider Hoden, im Fall der Stute beider Eierstöcke (Ovariektomie), verstanden. Dadurch sollen die damit zusammenhängenden hormonell-funktionellen Wirkungen ausgeschaltet werden. Im Einzelnen sind dies die Fortpflanzungsfähigkeit und das geschlechtstypische, sexualhormoninduzierte Verhalten.

Obwohl auch mithilfe von Hormonen oder Impfstoffen eine Reduzierung geschlechtstypischen Verhaltens und der Fortpflanzungsfunktion als „hormonelle“ oder „immunologische“ Kastration erzielt werden kann, wird die Kastration aus verschiedenen Gründen nach wie vor in erster Linie als chirurgisches Verfahren durchgeführt.

Tiermedizinische Fachangestellte sind im Rahmen einer Kastration an vielen Stellen mit eingebunden:

  • Information der Pferdebesitzer
  • Annahme und Untersuchung der Pferde
  • medikamentöse Versorgung der Pferde
  • Vor- und Nachbereitung benötigter Instrumente
  • Vorbereitung des Operationsbereichs
  • Assistenz bei der Operation
  • Überwachung während und nach der Operation
  • Erkennen und Assistenz von und bei Komplikationen

Die Kastration des Hengstes

Die Kastration des Hengstes, meist im Alter zwischen 1,5 bis 2 Jahren, ist einer der häufigsten Eingriffe in der Pferdechirurgie. Bedingt durch sein Komplikationspotenzial bietet dieser Eingriff nicht selten Anlass zu Rechtsstreitigkeiten, spätestens dann, wenn Folgeeingriffe oder aufwendige Nachbehandlungen erforderlich sind oder gar der Tod des Pferdes eintritt.

Zahlreiche chirurgische Verfahren sind zur Kastration des Hengstes beschrieben. Grundsätzlich können Tierärzte verschiedene Methoden anwenden, sofern es sich dabei um ein entsprechend der aktuellen Lehrmeinung und Fachliteratur anerkanntes Verfahren handelt. Die Methoden unterscheiden sich bezüglich der Anästhesie, des Operationszugangs, der Versorgung des Samenstrangs und des Wundverschlusses. Die tierärztliche Sorgfaltspflicht, die sich auch auf die Arbeit der Tierärztlichen Fachangestellten überträgt, muss in jedem Fall berücksichtigt werden.

Vorbereitung

Vor der Kastration muss der Hengst einer klinischen Allgemeinuntersuchung und einer klinisch-andrologischen Untersuchung mit Betrachtung und Abtastung des Hodensacks und dessen Inhalts sowie der Leistenregion unterzogen werden. Dadurch soll die Lage beider Hoden im Hodensack bestätigt und auffällige Inhalte wie Dünndarm oder Flüssigkeit sollen ausgeschlossen werden. Bei Abweichungen vom Normalbefund der allgemeinen und speziellen Untersuchung muss entschieden werden, ob die Kastration zu diesem Zeitpunkt durchgeführt werden kann oder weiterführende Untersuchungen bzw. ergänzende Maßnahmen erforderlich sind.

Bei den in der Handhabung oft noch schwierigen Junghengsten kann diese Untersuchung auch nach geeigneter Sedierung durchgeführt werden.

Im Rahmen der Kastration ist die Sicherstellung einer Tetanusprophylaxe obligatorisch. Grundsätzlich kann nur das bewertet werden, was anhand eines tierärztlichen Dokuments, d. h. in der Regel des Eintrags im Equidenpass, nachgewiesen wird. Entsprechend muss entschieden werden, ob ein angemessener Impfschutz vorliegt oder es einer Auffrischung mit Tetanusvakzine bedarf oder ob gar eine Tetanus-Simultanimpfung mittels zeitgleicher Gabe von Tetanusvakzine und Tetanusserum erforderlich ist.

Was ist eine Simultanimpfung?

Bei einer Simultanimpfung wird dem Patienten zeitgleich, aber an getrennten Körperstellen, der Toxoidimpfstoff und das Antiserum verabreicht. Die passive Immunisierung mit dem Antiserum gewährleistet einen Sofortschutz, während durch die Gabe des Toxoidimpfstoffs eine aktive Immunisierung mit Aufbau eines mittelfristigen Schutzes eingeleitet wird.

Eine Simultanimpfung ist daher bei Patienten im Alter von über sechs Monaten mit unklarem Immunstatus oder ohne vorherige aktive Immunisierung angezeigt. Der Tetanusschutz von Pferden im Alter von unter sechs Monaten erfolgt im Bedarfsfall nur mittels passiver Immunisierung.

Aus Gründen des Tierschutzes und der Reduzierung von Weichteilschwellungen ist die perioperative Gabe von Entzündungshemmern und Schmerzmitteln empfehlenswert. Bei Durchführung einer operationsbegleitenden antibiotischen Behandlung sollte der Wirkstoffspiegel im Zielgewebe bereits während des Eingriffs ausreichend sein, entsprechend sollte das Antibiotikum vor dem Eingriff verabreicht werden.

Das Operationsfeld bedarf in jedem Fall einer aseptischen oder antiseptischen Vorbereitung mit Waschung und Desinfektion. Eine geeignete Abdeckung ist ebenso erforderlich wie auch sterile Handschuhe für den Operateur und die Assistenz.

Kastrationstechniken

Die verschiedenen Methoden der Kastration unterscheiden sich bezüglich der Anästhesie des Hengstes, der Schnittführung, der Art der Blutstillung, des Verschlusses des Zugangs zur Bauchhöhle und des Wundverschlusses mit und ohne vorherige Kürzung von Anteilen des Scheidenhautfortsatzes und des diesem anliegenden Musculus cremaster.

Die Kastration am stehenden Hengst wird überwiegend aus ökonomischen Gründen erwogen und um das Risiko einer Allgemeinanästhesie zu umgehen. Da diese Methode meist als sogenannte unbedeckte und offene Kastration durchgeführt wird, beinhaltet sie keine aktive Vorbeugung gegen einen Darmvorfall aus der Bauchhöhle sowie keinen Hautverschluss.

Unter Feldbedingungen ist aus eigener Sicht besonders eine bedeckte Kastration, d. h. mit Quetschung und Ligatur des noch von seinem geschlossenen Scheidenhautfortsatz überzogenen Samenstrangs am allgemeinanästhesierten Hengst zu empfehlen. Hierbei wird überwiegend auf einen Hautverschluss verzichtet, damit Blutkoagula und Wundflüssigkeit ablaufen können, die Wundheilung verläuft somit sekundär. Unter aseptischen Bedingungen und bei entsprechender Blutstillung kann alternativ eine primäre Wundheilung durch chirurgischen Verschluss angestrebt werden.

Vergleichsweise aufwendig, aber mit bestmöglicher Minimierung des Risikos eines Darmvorfalls und einer Blutung, gestaltet sich die Kastration mit Öffnung und Wiederverschluss des den Hoden umgebenden Scheidenhautfortsatzes und nachfolgendem vollständigem Wundverschluss am allgemeinanästhesierten Hengst. Hierbei wird vor der Amputation des Hodens der unbedeckte Samenstrang doppelt ligiert. Der Amputationsstumpf wird im Scheidenhautfortsatz versenkt und dieser gekürzt sowie durch fortlaufende Naht verschlossen. Der chirurgische Verschluss der Haut schließt den Eingriff ab. Auch hierbei sind aseptische Bedingungen in einem Operationsraum und präzise Blutstillung angezeigt.

Nachsorge und Komplikationsrisiken

Im Anschluss an die vollständige Kastration des Hengstes fallen die im Blutserum messbaren Werte des männlichen Geschlechtshormons Testosteron innerhalb weniger Tage rasch ab. Dies führt auch zur deutlichen Beruhigung hengsttypischen Verhaltens. Allerdings kann unter Umständen gerade bei erst deutlich nach der Geschlechtsreife kastrierten Hengsten ein erlerntes Dominanzverhalten durch die Kastration nur mit Einschränkung reduziert werden.

Unter den akuten Kastrationskomplikationen besitzen besonders Blutungen aus der Wunde, aber auch maskiert in die Bauchhöhle sowie ein Darmvorfall lebensbedrohlichen Charakter. Hier muss der Operateur in der Lage sein, unmittelbar vor Ort geeignete Maßnahmen zu ergreifen bzw. einleiten zu können. Entsprechend sollten bei einer Kastration unter Stallbedingungen auch ausreichend geeignete Instrumentensätze mitgeführt werden.

Erforderliche Instrumente für die Kastration des Hengstes

Die genaue Auswahl richtet sich nach gewähltem Verfahren und den individuellen Ansprüchen des Operateurs.

  • Quetschzange nach Sand
  • Emaskulator nach Hausmann
  • Skalpellgriff und -klinge
  • Hodenfasszange
  • Pinzette, anatomisch
  • Pinzette, chirurgisch
  • Nadelhalter
  • Präparierschere nach Mayo oder Metzenbaum
  • Chirurgische Schere
  • Arterienklemme, Pean
  • Arterienklemme mit Zähnen, Kocher-Ochsner
  • Gefäßklemme, Mosquito
  • Tuchklemmen nach Backhaus

Nach einer Kastration unter Klinikbedingungen muss der frisch operierte Wallach zumindest klinisch durch Betrachtung des Operationsbereichs sowie Kontrolle von Atemfrequenz, Pulsfrequenz, Schleimhautfarbe und Körpertemperatur überwacht werden. Dadurch lassen sich die wichtigen Komplikationen überwiegend gut und zeitgerecht erkennen, z. B. Anzeichen für eine anhaltende Blutung oder Koliksymptome. Die häufigste Komplikation der Kastration stellt die Wundinfektion dar, die während des Eingriffs – in Abhängigkeit von der Methode – vor allem bei offen belassener Wundhöhle auch im weiteren Verlauf nach überwiegend bakterieller Kontamination eintreten kann.

Chronische Komplikationen wie Samenstrangfistel, Vaginalsackzyste oder Verwachsungen des Samenstrangs mit Ausprägung einer Bewegungsstörung bedürfen in der Regel einer späteren chirurgischen Korrektur.

Die Kastration der Stute

Eine nicht seltene Indikation für die Durchführung einer einseitigen Entfernung des Pferdeeierstocks ist das Vorliegen eines Eierstocktumors, meist des Granulosazelltumors.

Der Besitzerwunsch ist überwiegend Anlass zur Planung einer beidseitigen Ovariektomie und damit der Kastration der Stute. Nicht selten wird das Rosseverhalten als störend empfunden oder sogar als Fehlverhalten bezeichnet. Es darf dabei nicht übersehen werden, dass letztendlich auch das rossetypische Verhalten zum natürlichen Ethogramm (Verhaltensinventar) eines weiblichen Pferdes gehört. Entsprechend sollte auch in jedem Fall durch eine vollständige gynäkologische Untersuchung individuell geprüft werden, ob eine Kastration angezeigt und sinnvoll ist. Obwohl im Anschluss an eine Kastration mit einem Sistieren (zum Stillstand kommen) der Zyklussymptome gerechnet werden kann, reagiert ein nicht unerheblicher Prozentsatz der operierten Stuten mit der Entwicklung subtiler Symptome einer Dauerrosse. Der Grund hierfür könnte in dem nach der Kastration vorliegenden Fehlen des Gelbkörperhormons Progesteron liegen, welches bei der nicht tragenden Stute ansonsten auch am Eierstock produziert wird.

Kastrationstechniken

Die Kastration der Stute ist immer ein Bauchhöhleneingriff, der unter Klinikbedingungen an der allgemeinanästhesierten, liegenden oder stehenden, sedierten Stute durchgeführt werden kann. Über das geeignete Verfahren wird im Rahmen einer gynäkologischen Voruntersuchung entschieden. An der allgemeinanästhesierten Stute kann der Zugang als Flankenschnitt in Seitenlage oder Schnitt in der Bauchmitte in Rückenlage erfolgen. Am stehenden Pferd bietet sich die Entfernung der Eierstöcke mithilfe der Laparoskopie an, was als minimal-invasives Verfahren gleichzeitig für Tiermedizinische Fachangestellte die Vor- und Nachbereitung einer umfangreicheren instrumentellen Ausrüstung bedeutet.

Nachsorge und Komplikationsrisiken

Ein Schwerpunkt richtet sich auch nach der Kastration der Stute vordringlich auf die Überwachung der vitalen Funktionen der Patientinnen, um Komplikationen wie Blutungen, schmerzbedingte Koliken, Durchfallerkrankungen oder akute Infektionen nicht zu übersehen. Dazu dienen primär klinische Parameter, die auch im Rahmen der Allgemeinuntersuchung erhoben werden: Puls- und Atemfrequenz, Körpertemperatur, Zustand der Konjunktiven. Bei Intensivpatienten kommen die Körperausscheidungen oder klinisch-neurologische Auffälligkeiten dazu, situationsabhängig können auch labordiagnostische Überwachungen (z. B. Hkt, TPP, Leukozyten gesamt) erforderlich sein. Eine vollständige klinische Allgemeinuntersuchung ist zumindest bei Aufnahme und Entlassung des Patienten ohnehin angezeigt.

Dokumentation nicht vergessen!

Auch Intensivpatienten können in der Pferdemedizin nur selten lückenlos überwacht werden. Die Überwachungsintervalle müssen in Abhängigkeit vom Krankheitsbild und der Situation des Patienten aber tierärztlich festgelegt und angepasst werden.

Grundsätzlich müssen über tierärztliche diagnostische und therapeutische Maßnahmen Aufzeichnungen angefertigt werden, was auch den Tiermedizinischen Fachangestellten übertragen werden kann und wird. Dies ist in den tierärztlichen Berufsordnungen verankert. Geeignete Aufzeichnungen sollen im Rahmen der Teamarbeit die sorgfältige tiermedizinische Patientenbetreuung sicherstellen und sind gleichzeitig bei Auseinandersetzungen nach außen eine wichtige Absicherung auch nach einem Zeitraum des gedanklichen Vergessens.

Bei der Intensivversorgung geht es nicht nur um die Überwachung und Dokumentation, sondern folgerichtig auch um die richtige Analyse und das Treffen geeigneter Maßnahmen in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Untersuchungen. Hierzu ist eine klare Absprache zwischen den Tierärzten und den Tiermedizinischen Fachangestellten erforderlich, alleine schon um sicherzustellen, in welcher Situation tierärztliches Eingreifen erforderlich ist. Dadurch sollen gerade auch Komplikationen bei stationären Patienten anlässlich der Kastration rechtzeitig bemerkt und zeitgerecht therapeutisch angegangen werden.

Exkurs: Wie ist die Rechtslage?

Das deutsche Tierschutzgesetz verbietet zwar grundsätzlich die Amputation von Körperteilen, dies ist zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung und – soweit tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen – wenn zur weiteren Nutzung oder Haltung des Tieres eine Unfruchtbarmachung vorgenommen wird, gemäß §6 (1) Tierschutzgesetz aber ausgenommen. Auch aufgrund einer tiermedizinischen Indikation, z. B. beim Hoden- oder Eierstocktumor sowie bei Hodenentzündungen oder -verletzungen, kann die Kastration als Heilbehandlung erforderlich sein. In diesen Fällen ist unter Umständen auch nur eine einseitige Kastration erforderlich.

Über den Autor

PD Dr. med. vet. Claus Peter Bartmann ist Fachtierarzt für Pferde, Reproduktionsmedizin und Pferdechirurgie, er ist als leitender Oberarzt in der Pferdeklinik Aschheim tätig.

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