zum Hauptinhalt
Diarrhoe

Damit es nicht dünn wird: Verdauung beim Hund

Hunde mit Durchfall kommen regelmäßig in die Praxis. Wie funktioniert der Magen-Darm-Trakt des Hundes und wodurch kann es zu Störungen der Verdauungsvorgänge kommen?

Vito
Inhaltsverzeichnis

Von Dr. med. vet. Marion Robra

Als Durchfall (Diarrhoe) wird ein zu hoher Wassergehalt des Kotes und die Veränderung der Kotbeschaffenheit von geformt zu breiig bzw. flüssig bezeichnet. Diarrhoe kann zusätzlich mit einer gesteigerten Kotabsatzhäufigkeit einhergehen.

Nahezu jeder Hund ist in seinem Leben von Diarrhoe betroffen, was angesichts der Leistungen, die das Verdauungssystem vollbringen muss, nicht ungewöhnlich ist. Dementsprechend häufig werden diese Patienten in der Tierarztpraxis vorgestellt. Je nach Ausprägung bleibt die Kontrolle über den Kotabsatz erhalten oder geht verloren. Im letzteren Fall werden die Tierhalter sehr schnell beim Tierarzt vorstellig, da das Zusammenleben mit dem Vierbeiner massiv beeinträchtigt ist. Oder anders ausgedrückt: Der verschmutzte Wohnzimmerteppich führt beim Tierhalter zu einem höheren Leidensdruck als eine seit längerem bestehende chronische Diarrhoe, die außerhalb der eigenen vier Wände erledigt wird. Der TFA an der Anmeldung fällt die wichtige Aufgabe zu, bereits im Vorfeld den Schweregrad der Erkrankung richtig einzustufen und einen sowohl vom Zeitpunkt wie auch der Zeitdauer passenden Termin mit dem Tierhalter zu vereinbaren. Das dazu notwendige „Handwerkszeug“ soll dieser Artikel vermitteln. Dazu heißt es zunächst „back to the basics“. Um die verschiedenen Ursachen für Diarrhoe und die daraus für den Magen-Darm-Trakt entstehenden Folgen verstehen zu können, schauen wir uns zunächst an, wie der gesunde Verdauungstrakt eines Hundes funktioniert.

Gut gekaut ist halb verdaut?

Die Antwort für den Hund lautet: nein. Der Hund gehört zu den Fleischfressern (Carnivoren) und im Gegensatz zum Mensch verfügt er über keinerlei Verdauungsenzyme im Speichel. Seine Zähne dienen dazu, die Beute zu packen, zu töten und sie bzw. das Futter in schluckbare Portionen zu zerteilen. Dem Speichel fällt die Aufgabe zu, diese Bissen gleitfähig zu machen, um ein problemloses Abschlucken zu ermöglichen. Weitere Aufgaben des Speichels sind die Befeuchtung der Mundhöhle, die Regulierung der Körpertemperatur und – durch bakterizide Bestandteile – die Abwehr von Krankheitserregern. Der eigentliche Verdauungsprozess beginnt beim Hund erst im Magen.

Anatomie und Physiologie des Magen-Darm-Trakts

1. Der Magen

Die Magenwand besteht wie die Wand des übrigen Magen-Darm-Trakts aus vier Schichten (siehe Grafik in der Bildergalerie). Die äußere, glatte, den übrigen Eingeweiden zugewandte Schicht heißt Tunica serosa. Sie produziert im Normalfall geringe Mengen Flüssigkeit und ermöglicht das weitestgehend reibungslose Gleiten der Baucheingeweide gegeneinander. Der der Bauchwand aufliegende Anteil der Serosa heißt Bauchfell (Peritoneum). Im Falle einer Entzündung des Bauchfells (Peritonitis) oder einer Stauung kann die Flüssigkeitsproduktion stark zunehmen und es entsteht eine Flüssigkeitsansammlung in der Bauchhöhle (Aszites). Unter der Serosa befindet sich die Tunica muscularis, eine Schicht, die aus einer äußeren Lage längs- und einer darunter liegenden Lage ringförmig angeordneter glatter Muskulatur besteht. Zwischen den beiden Muskelschichten liegt ein Geflecht von Nervenzellen, der Plexus myentericus. Er ist ein vom zentralen Nervensystem weitgehend unabhängiges (autonomes) Steuerungsorgan, das die Bewegungen (Peristaltik) des Magen-Darm-Trakts reguliert. Die Muskularis ist für die Durchmischung und den Weitertransport des Nahrungsbreis zuständig. Die zwischen der Muskularis und der innersten Schicht des Magen-Darm-Trakts, der Schleimhaut (Tunica mucosa) liegende Verschiebeschicht heißt Tunica submucosa. Sie besteht aus lockerem Bindegewebe und enthält ebenfalls Nervenzellen sowie Blut- und Lymphgefäße. Im Bereich des Darms bilden die Nervenzellen den Plexus submucosus, welcher die Funktionen der Mukosa wie Sekretion und Resorption von Substanzen steuert.

Wenn es eng wird ...
Der Kaiserschnitt wird bei der Hündin meist als Notfalloperation durchgeführt. Gute Vorbereitung, Zeitmanagement und strukturiertes gemeinsames Arbeiten sind hierbei essenziell.

Die Magenschleimhaut besitzt im Bereich des Magenkörpers (Fundus) Drüsen, die sogenannte Haupt-, Beleg- und Nebenzellen enthalten. Die Hauptzellen produzieren die Vorstufen eiweißspaltender Enzyme (Pepsinogene) und ein fett-abbauendes Enzym, die Lipase. Die Belegzellen sind für die Produktion von Salzsäure (HCl) und die Ausschüttung von Intrinsic-Faktor zuständig. Die Salzsäure senkt den pH-Wert im Magen auf Werte von 1–3 pH. Werte, bei denen Eiweiße denaturieren, d. h. sie werden soweit zerstört, dass sie ihre Funktion verlieren. Damit werden zum einen viele mit der Nahrung aufgenommene Mikroorganismen abgetötet, zum anderen ist die Denaturierung der erste Schritt bei der Eiweißverdauung. Der Intrinsic-Faktor wird benötigt, um Vitamin B12 im Dünndarm aufnehmen zu können. Die Nebenzellen stellen den für den Schutz der Magenwand wichtigen Magenschleim her. Außerdem scheiden sie Bicarbonat (HCO3-) aus, welches die H+-Ionen der Magensäure abpuffert und damit ebenfalls dem Schutz der Magenwand dient. Im Bereich des Magenausgangs (Pylorus) liegen G-Zellen, die das Hormon Gastrin ausschütten, welches zur Freisetzung von HCl aus den Belegzellen führt.

2. Der Dünndarm

Vom Magen gelangt der Nahrungsbrei zunächst in die verschiedenen Abschnitte des Dünndarms: Zwölffingerdarm (Duodenum), Leerdarm (Jejunum), Hüft- oder Krummdarm (Ileum). Die Hauptaufgabe des Dünndarms ist die Aufspaltung der einzelnen Nahrungsbestandteile in ihre kleinsten Bausteine und deren Aufnahme (Resorption) in die Darmzelle. Um diese Aufgabe leisten zu können, besitzt der Dünndarm zahlreiche Darmzotten und die einzelnen Darmzellen verfügen über fingerförmige Ausstülpungen der darmseitigen Oberfläche (Mikrovilli). Die dadurch erzielte immense Oberflächenvergrößerung ist die Grundvoraussetzung für die gewaltige Resorptionsleistung des Dünndarms (siehe Grafik in der Bildergalerie). Hier finden ca. zwei Drittel der gesamten Flüssigkeits- und Elektrolytaufnahme statt.

Nasenausfluss bei Hund und Katze: Was kann es sein?
Nasenausfluss ist ein klinisches Symptom, hinter dem viele Ursachen stecken können. Welche Diagnose- und Therapiemöglichkeiten gibt es?

Zwischen den Darmzotten liegen Einstülpungen (Lieberkühn´sche Krypten), in denen die Erneuerung der Darmzellen stattfindet. Die Erneuerung der gesamten Darmoberfläche dauert zwei bis drei Tage. Außerdem finden sich in den Lieberkühn´schen Krypten schleimproduzierende Becherzellen und hormonproduzierende Zellen. Die Anzahl der Becherzellen nimmt Richtung Darmausgang zu. Die meisten Becherzellen finden sich im Dickdarm.

Im Duodenum wird der aus dem Magen stammende saure Nahrungsbrei zunächst neutralisiert. Dies findet durch die Sekretion von HCO3- aus den Duodenalzellen und durch den HCO3--haltigen Pankreassaft statt. Er wird vom exokrinen Anteil des Pankreas (der Teil des Pankreas, der Verdauungsenzyme produziert) gebildet und enthält neben HCO3- verschiedene Verdauungsenzyme. Es handelt sich dabei um Peptidasen, Nukleasen, Amylase und Lipasen. Sie liegen im exokrinen Pankreas zum Schutz vor Selbstverdauung in inaktiver Form vor. Sie gelangen über einen Ausführungsgang, den Ductus pancreaticus, in das Duodenum und spalten dort nach ihrer Aktivierung Eiweiße, Nukleinsäuren, Kohlenhydrate und Fette in kleinste Bausteine, die von den Dünndarmzellen aufgenommen und in die Blutbahn abgegeben werden. Ein weiterer Ausführungsgang, der in das Duodenum mündet, ist der Ductus choledochus. Über ihn wird die in der Leber produzierte und in der Gallenblase gespeicherte Galle in das Duodenum ausgeschieden. Die Galle enthält ausscheidungspflichtige Substanzen und Gallensäuren, die die Fettverdauung unterstützen, indem sie die Fette in kleine Tröpfchen aufspalten (emulgieren; siehe Grafik in der Bildergalerie). Durch das Emulgieren entstehen viele kleine Fetttröpfchen, deren Oberfläche im Verhältnis zu einem großen Fetttropfen zunimmt. Dadurch bieten die Fetttröpfchen den fettspaltenden Enzymen (Lipasen) eine größere Angriffsfläche und können besser abgebaut werden. Die Gallensäuren werden im Ileum resorbiert und mit dem Blut erneut der Leber zugeführt (enterohepatischer Kreislauf).

Störungen des Fettstoffwechsels kommen beim Hund als Folge einer Erkrankung des exokrinen Pankreas (exokrine Pankreasinsuffizienz) vor. Durch den Mangel an fettverdauenden Enzymen (Lipasen) werden Fette unverdaut mit dem Kot ausgeschieden (Steatorrhoe, siehe Bildergalerie).

Bitte nicht in Wundhöhlen anwenden
Octenidinhaltige Antiseptika können zwar für die Haus- und Schleimhautdesinfektion zugelassen sein, für eine Spülung von Wundhöhlen sind sie jedoch weder vorgesehen noch geeignet.

Beim Hund findet die Verdauung von Kohlehydraten im vorderen Drittel des Dünndarms statt. Werden die Darmzellen z. B. durch Viren oder Bakterien geschädigt, wird die Kohlehydratverdauung beeinträchtigt und unverdaute Kohlenhydrate gelangen in die nachfolgende Dünndarmabschnitte. Da sie osmotisch wirksam sind, d. h. sie ziehen Wasser mit sich, können sie eine osmotisch bedingte Diarrhoe auslösen. Außerdem sind sie eine willkommene Nahrungsgrundlage für Bakterien und können zu einer bakteriellen Überwucherung der natürlichen Darmflora führen. Aufgrund der bakterienabtötenden (bakteriziden) Eigenschaft des Magensaftes und der schnellen Nahrungsbreipassage im Dünndarm ist dieser beim gesunden Hund im Gegensatz zum Dickdarm relativ keimarm. Jede Veränderung der Nahrungszusammensetzung, die Gabe von Antibiotika oder die Änderung der Nahrungsverweildauer in einzelnen Darmabschnitten kann die natürliche Keimbesiedelung stören und eine Diarrhoe nach sich ziehen.

Ca. 70 % der mit der Nahrung aufgenommenen und der über Sekrete in den Magen-Darm-Trakt ausgeschiedenen Elektrolyte Natrium, Chlorid, Magnesium und Kalium werden im Dünndarm resorbiert. Damit eng verknüpft ist die Resorption von Wasser. Resorptionsstörungen im Dünndarm, wie sie zum Beispiel bei einer Diarrhoe auftreten, können daher mit schwerwiegenden Verlusten von Elektrolyten und Flüssigkeit verbunden sein.

3. Der Dickdarm

Der letzte Abschnitt des Verdauungstraktes ist der Dickdarm. Er beginnt mit dem Blinddarm (Caecum), dem sich das Colon (Grimmdarm) und das Rektum (Mastdarm) anschließen. Er ist dicht mit Bakterien besiedelt, die organische Substanzen wie z. B. Zellulose, die nicht enzymatisch gespalten werden kann, abbauen. Außerdem dient er ebenfalls der Resorption von Elektrolyten und Wasser und steuert damit die Kotkonsistenz.

Die Aufnahme von Na+ und nachfolgend von Wasser durch die Dickdarmzellen wird von dem Hormon Aldosteron gesteuert. Niedrige Na+-Konzentration im Blut führt zur Freisetzung von Aldosteron aus der Nebennierenrinde und einer vermehrten Aufnahme von Na+ und damit auch von Wasser durch die Dickdarmzellen. Vereinfacht gesagt führt die Anwesenheit von Aldosteron damit zu einer härteren Kotkonsistenz. Wie bereits für den Dünndarm beschrieben, gilt auch hier: Jede Änderung der Nahrungszusammensetzung, der Verweilzeit des Nahrungsbreis im Verdauungstrakt und des pH-Wertes beeinflusst die natürliche Darmflora und kann zu Diarrhoe führen.

Die Kotfarbe wird durch die Abbauprodukte der Gallenfarbstoffe und die Futterzusammensetzung bestimmt.

Merke!

Im Magen werden durch den niedrigen pH-Wert Bakterien abgetötet und die Eiweißverdauung in Gang gesetzt. Eine bicarbonathaltige Schleimschicht schützt die Magenwand dabei vor Selbstverdauung. Das Enzym Pepsin baut Eiweiße und das Enzym Lipase Fette ab. Der Intrinsic-Faktor ist für die Aufnahme von Vitamin B12 im Dünndarm wichtig.

Merke!

Das Zusammenspiel der Sekretion von Magen-, Gallen-, Pankreassaft, der Resorption von Nahrungsbestandteilen und des Weitertransports des Nahrungsbreis über die Magen-Darm-Peristaltik wird vom vegetativen Nervensystem, Abbauprodukten der Nahrung und Hormonen des Magen-Darm-Trakts gesteuert. Jede Störung in einem dieser Bereiche kann eine Diarrhoe zur Folge haben.

Mikrobiom und Immunabwehr

Die Gesamtheit aller Darmbakterien wird als Mikrobiom bezeichnet. Seine genaue Funktion ist Gegenstand zahlreicher Forschungsprojekte und birgt noch viele Rätsel. Unbestritten ist sein wesentlicher Anteil an der Immunabwehr. Neuere Forschungen weisen darauf hin, dass Imbalancen des Mikrobioms die Entstehung von Autoimmunerkrankungen wie z. B. Allergien begünstigen können. Unter diesem Gesichtspunkt sollte der Einsatz von Antibiotika insbesondere bei Jungtieren sorgfältig abgewogen werden.

Über die Autorin

Dr. med. vet. Marion Robra ist auf innere Medizin und Zahlheilkunde spezialisiert und praktiziert in eigener Kleintierpraxis in Barsinghausen bei Hannover.

Tipp! Sie wollen keine Meldungen mehr verpassen? Dann abonnieren Sie hier unseren kostenlosen TFA-Newsletter.

Passend zu diesem Artikel