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Informationen für Patientenbesitzer 30. Juli 2018

Das müssen Halter über die Kastration beim Hund wissen

Einen Hund kastrieren zu lassen, bedeutet einen großen Eingriff in den Organismus. Welche Risiken und Alternativen gibt es?

Hundepaar steht auf Holzsteg vor einem See.
Hundepaar steht auf Holzsteg vor einem See.
Inhaltsverzeichnis

Hündinnen, die im jugendlichen Alter kastriert werden, haben ein etwas geringeres Risiko für die Entwicklung von Gesäugetumoren. Besitzerbefragungen deuten allerdings darauf hin, dass Weibchen, die vor der ersten Läufigkeit kastriert wurden, unsicherer und ängstlicher sind. Auch gesundheitliche Probleme sind möglich, wenn Hündinnen zum Kastrationszeitpunkt körperlich noch sehr unreif sind. Aus diesem Grund ist bei eh schon ängstlichen Tieren von einer präpubertären Kastration abzuraten. Um das Risiko für die Entstehung von Tumoren dennoch zu senken, gilt die Empfehlung, Hündinnen zwischen der ersten und zweiten Läufigkeit kastrieren zu lassen. Beim Rüden sollte der Eingriff nicht vor dem ersten Lebensjahr erfolgen. Die Tiere brauchen diese Zeit der Entwicklung, um körperlich und geschlechtlich komplett auszureifen.

Welche Nebenwirkungen können durch eine Kastration auftreten?

Inkontinenz: Die hormonellen Umstellungen der Kastration können zur Folge haben, dass der Schließmuskel der Blase die Harnröhre nicht mehr ausreichend abdichtet und der Hund (vor allem im Schlaf) tröpfchenweise Urin verliert. Dies kommt vor allem bei Hündinnen über 20 Kilogramm vor und kann medikamentös behandelt werden. Rüden sind sehr viel seltener betroffen.

Fellveränderungen: Gerade bei langhaarigen Hunden mit seidigem Deckhaar und/oder roter Fellfarbe (Irish Setter, Cocker-Spaniel, Dackel) kann die Kastration ein übermäßiges Wachstum der Unterwolle bewirken und ihnen ein welpenähnliches Aussehen verleihen. Tierärzte sprechen hier von Welpen- bzw. Wollfell. Auch Haarausfall, z. B. im Flankenbereich, ist möglich.

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Übergewicht: Die häufigste Nebenwirkung der Kastration ist die Gewichtszunahme. Kastrierte Tiere haben einen um 25 Prozent niedrigeren Energieumsatz, weshalb die Kalorienmenge nach der Operation angepasst werden muss. Ebenso sollten die Tiere ausreichend bewegt werden.

Sonstige Veränderungen: Es gibt Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass kastrierte Tiere ein höheres Risiko für orthopädische Erkrankungen (z. B. Kreuzbandrisse) und Tumore haben, die nicht mit dem Geschlechtsapparat in Verbindung stehen.


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Schützt eine Kastration die Hündin (z. B. vor Gesäugetumoren oder Scheinschwangerschaft)?

Gesäugetumore: Tumore der Milchleiste treten vor allem bei kleinen Hunden und Rassen wie dem Boxer relativ häufig auf. Studien, die untersuchen, welchen Einfluss die Kastration auf die Entstehung von sogenannten Mammatumoren hat, kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Derzeit wird davon ausgegangen, dass durch den Eingriff im Jugendalter und bei Kastration nach der ersten Läufigkeit eine gewisse Reduktion des Tumorrisikos erreicht werden kann. Bei später kastrierten Hündinnen schützt die Kastration nur vor Gebärmutter- und Eierstockerkrankungen.

Scheinträchtigkeit: Für die Scheinschwangerschaft von Hündinnen ist der Anstieg eines bestimmten Hormons nach der Läufigkeit verantwortlich (Progesteron). Scheinträchtigkeiten sind normal und kommen bei jeder Hündin in unterschiedlicher Ausprägung vor. Typisch sind ausgeprägtes Nestbauverhalten, das Bemuttern von Gegenständen oder ein angebildetes Gesäuge. Ca. 20 Prozent der scheinträchtigen Hündinnen geben auch Milch. Weibchen, die nach jeder Läufigkeit scheinträchtig werden und dabei psychisch leiden bzw. stark Milch bilden, kann die Ausschaltung der Sexualhormone durch eine Kastration helfen.

Gebärmuttervereiterung: Diese Erkrankung tritt vor allem bei älteren, unkastrierten Hündinnen ab zehn Jahren auf. Die Kastration bietet Schutz, sofern das hormonproduzierende Eierstockgewebe vollständig entfernt wird.

In welchen Fällen ist eine Kastration zwingend erforderlich?

Es gibt Erkrankungen, die eine chirurgische Kastration erforderlich machen. Zu diesen zählen z. B. Tumoren der Geschlechtsorgane (Hoden, Eierstock). Auch eine Gebärmutterentzündung bzw. -vereiterung kann unter Umständen lebensbedrohlich sein. Je nach Fall wird der Tierarzt bei erkrankten Hündinnen eine medikamentöse oder chirurgische Behandlung einleiten. Auch der Vorfall der Scheidenschleimhaut unter Hormoneinfluss macht eine Kastration erforderlich. Eierstockzysten, die den Zyklus verändern, müssen ebenfalls entfernt werden. Auch Rüden, die an Testosteron-abhängigen Erkrankungen leiden, (z. B. gutartige Prostatavergrößerung oder Perianaltumore) können von einer chirurgischen oder medikamentösen Kastration profitieren.

Gibt es Alternativen zur chirurgischen Kastration?

Ja, es gibt die Möglichkeit gesunde, geschlechtsreife Rüden mithilfe eines chipartigen Implantats, das unter die Haut gesetzt wird, vorübergehend unfruchtbar zu machen. Für die Ausschaltung der Libido ist der enthaltene hormonähnliche Wirkstoff (derzeit am Markt: Deslorelin) verantwortlich. Dieser drosselt nach einer Vorlaufzeit von bis zu acht Wochen die Produktion bestimmter Hormone, die für einen funktionierenden Sexualzyklus unentbehrlich sind. Infolgedessen werden der Testosteronspiegel sowie die Fortpflanzungsfähigkeit für eine Dauer von mind. sechs bzw. zwölf Monaten (je nach Wirkstoffmenge) herabgesetzt. Dies können Sie sogar sehen: Die Hoden des Rüden werden kleiner. Gerade bei verhaltensauffälligen Rüden kann mithilfe des Implantats getestet werden, ob das unerwünschte Verhalten testosteronabhängig ist, bevor chirurgisch zur Tat geschritten wird. Allerdings gilt zu beachten, dass es zu Behandlungsbeginn für ca. eine Woche zu einer verstärkten Hormonausschüttung mit Anstieg des Sexualverhaltens kommen kann. Dies heißt nicht, dass der Chip nicht wirkt. Die Unterdrückung der Sexualität und Fruchtbarkeit ist vollständig reversibel, beides kehrt bei nachlassender Wirkung über einen Zeitraum von acht Wochen langsam zurück. Für das Weibchen stehen derzeit keine medikamentösen Alternativen zur chirurgischen Kastration zur Verfügung, bei denen nicht mit vielen Nebenwirkungen zu rechnen ist.

Über die Autorin

Als Tierärztin horcht Lisa-Marie Petersen gern am Ort des Geschehens nach: Was beschäftigt die Tiermedizin derzeit? Interessante Themen verarbeitet die Fachjournalistin dann in redaktionellen Beiträgen für Print- und Onlinemedien.

Praxistipp: Ein kostenfreier Ratgeber aus der Reihe "10 Fragen/Antworten" von Der Praktische Tierarzt informiert Tierhalter über die Kastration beim Hund. Leicht verständlich und fachlich auf dem neuesten Stand werden die zehn wichtigsten Fragen zum Thema beantwortet. Die handliche Broschüre können Sie hier bestellen, um Sie im Wartezimmer auszulegen oder an Patientenbesitzer zu verteilen.

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