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Ernährung von Wohnungskatzen 3. Januar 2020

Die bewegte Fütterung - jetzt geht's los!

Mit einfachsten Mitteln lässt sich das Jagdverhalten von Katzen nutzen und sie ihren Vorlieben folgend in Bewegung bringen. Das hält sie gesund und schlank und beugt Verhaltensproblemen vor.

Inhaltsverzeichnis

Von Yvonne Lambach

Wir wissen nun, dass Katzen tatsächlich gerne kleine Häppchen verteilt über den Tag zu sich nehmen und draußen immer wieder kurz jagen. Wir wissen auch, dass es der Natur der Katze entspricht, stets wieder in den sicheren Bereich des Kernterritoriums zurückzukehren und nach kurzer Zeit der Ruhe wieder zur Jagd aufzubrechen. Es ist also normal, dass Katzen über den Tag immer wieder aktiv sind und auch in der Nacht immer wieder vom Freigang nach Hause kommen und nach kurzer Zeit wieder los möchten. Eine gewisse stete Unruhe im Vergleich zu unserem Tagesablauf ist also kein Zeichen für Unzufriedenheit, sondern entspricht ganz und gar dem natürlichen Verhalten der Katze. Daher stellt die bewegte Fütterung eine wunderbare, aber noch viel zu wenig genutzte, Möglichkeit der artgerechten Beschäftigung dar.

Fütterungsberatung tut not

Durch tägliche Beratungsgespräche in der Praxis weiß ich, dass es in der Regel wie folgt aussieht: Viele unserer Patienten leben „indoor“ – ohne Freigang oder mit Balkon, Terrasse oder Gehege. Die Möglichkeit zur Jagd ist nicht gegebenen. Die Katze oder die Katzen bekommen zweimal täglich (morgens und abends) eine Portion Nassfutter im Napf und zusätzlich eine Schale mit Trockenfutter zur freien Verfügung. Kleine Variationen gibt es selbstverständlich.

Für einzeln gehaltene Katzen bedeutet dies zwangsweise lange Ruhephasen über den Tag und womöglich Übelkeit nach Aufnahme zu großer Einzelmahlzeiten. Im Mehrkatzenhaushalt bietet dieses Modell zwei zusätzliche Problemquellen: Zum einen fressen Katzen lieber alleine, zum anderen bietet die ad libitum-Fütterung (zur freien Verfügbarkeit) für mindestens eine der Katzen immer die Möglichkeit, mehr zu fressen, als die übrigen, bedeutet also auch ein Risiko für Übergewicht. Dies wird unter Umständen durch die Konkurrenzsituation noch gefördert.

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In der Praxis findet eine Fütterungsberatung für Katzenbesitzer in erster Linie im Rahmen eines Check-ups bei festgestelltem Übergewicht oder etwas ausführlicher bei chronischen Erkrankungen wie Niereninsuffizienz oder Diabetes mellitus statt. Im Rahmen der Anamnese wird manchmal auch von häufigem Erbrechen sowie von Spannungen in der Gruppe während der Fütterung oder sehr ungleich „schweren“ Partnerkatzen berichtet.

Gute und umfassende Informationen für Besitzer gibt es hierzu bislang zu wenig. Ideal wäre eine fortlaufende Fütterungsberatung durch das Team der tierärztlichen Praxis unter Berücksichtigung der besonderen Vorlieben der Katze, die bereits beim ersten Tierarztbesuch im Kitten-Alter den Grundstein für eine gesunde und aktive Fütterung legt. In der Praxis wird bei etwas genaueren Nachfragen meist ganz schnell klar, dass Besitzer wenig Kenntnis über das arttypischen Verhalten und die Fütterungsmengen haben. Wir sollten also eingangs der Beratung zunächst folgende Fragen klären:


Top Job:


  • Wie wird die Katze aktuell gefüttert?
  • Wie häufig?
  • Welche Futtermittel?
  • Welche Mengen bieten Sie an? (Oft wird nach Bauchgefühl gefüttert, insbesondere bei Trockenfutter und den Besitzern ist nicht klar, welchen Energiegehalt die einzelnen Futterarten wie Nassfutter, Trockenfutter und verschiedenste – meist trockene – Leckerlis haben.)

Dieser „Fütterungs-Vorbericht“ gibt uns gute Anknüpfungspunkte für die weitere Beratung und verrät uns bereits sehr viel über die Kompetenz der Besitzer. Es hilft uns auch einzuschätzen, wie viel Hilfestellung die einzelnen Besitzer benötigen.

Kleine Aufgaben mit großer Wirkung

Das Training hin zur bewegten Fütterung gibt uns die Möglichkeit, das Verhalten der Katze sanft zu steuern, ohne große Unsicherheiten zu schaffen. Wir stellen ihr regelmäßige aber abwechslungsreiche und lösbare Aufgaben. Katzen lernen entgegen landläufiger Meinung sehr gut und wir können sie trainieren, sogar bis ins hohe Alter. Beginnen sollten wir zunächst mit kleinen Aufgaben:

  • Das Futter in Bewegung bringen: Leckerlis und Trockenfutter können wunderbar zur einfachsten Form der bewegten Fütterung genutzt werden: Futter werfen. Die Bewegung des Futters aktiviert sofort den Jagdinstinkt der Katze.
  • Die Katze in Bewegung bringen: Die einfachste Art, die Katze in Bewegung zu bringen ist, das Futter an gut erreichbaren Stellen in der Wohnung zu platzieren. Dies kann wunderbar mit Leckerlis und Trockenfutter gleichermaßen geübt werden, geht aber sogar auch mit Feuchtfutter (z. B. in kleinen Marmeladegläschen).

Bei diesen beiden Übungen, wie bei allen folgenden, ist es ganz wichtig, zunächst mit kleinen Bewegungen und kleinen Distanzen zu beginnen. Die Katze nutzt die Information über die Bewegung und das Geräusch beim Ablegen, Abstellen oder Werfen des Futters, um sich zu orientieren. Zusätzlich hilft besonders zu Beginn bei kurzen Distanzen der anregende Geruch des Futtermittels. Wenn die kleinen Raubtiere einmal verstanden haben wie das Spiel funktioniert, können die Distanzen vergrößert und weniger Hinweise gegeben werden. Auf diesem Wege kann auch gut ein Großteil der Tagesration an Trockenfutter verfüttert werden.

Get moving - Katzen in Bewegung
Betrachtet man Aktivitätsmuster von Freigängern, dann wird schnell klar, dass sich Wohnungskatzen viel zu wenig bewegen. Übergewicht und andere gesundheitliche Einschränkungen sind die Folge.

Darf es etwas Abwechslung sein?

Einfache Futterspielzeuge, sog. „Foodpuzzles“ oder „Activity-Feeder“, bei denen das Futter sichtbar platziert wird und vor allem gut erschnuppert werden kann, bieten eine tolle Möglichkeit für etwas fortgeschrittene Jäger. Bekanntestes Beispiel: Das „Katzenfummelbrett“, der Klassiker unter den „Foodpuzzles“. Das Design bekam das „cat friendly“-Siegel der ISFM.

Die Idee der „Activity-Feeder“ entstand immer wieder bei einzelnen Katzenhaltern und Professionals und wurde von Helena Dbalý als Katzenfummelbrett/Cat activity fun board kommerzialisiert. Es hat den Vorteil, dass es leicht zu reinigen ist und daher gut mit Feuchtfutter gefüllt werden kann (z. B. mit medizinischen Diäten wie z. B. Nierendiät oder Diät für Diabetiker-Katzen).

Alternative Upcycling: Einfache Gegenstände aus dem Haushalt eignen sich ebenfalls sehr gut zur Beschäftigung, wie Eiswürfelbehälter, Eierkarton, Marmeladenglas, Glaswärmer, und vieles mehr. Hier ist der Fantasie keine Grenze gesetzt.

Einfache bewegliche Futterspielzeuge: z. B. Bälle oder Rollen mit verstellbarem Schwierigkeitsgrad, die zunächst in der einfachsten Position genutzt werden sollten, aber die Möglichkeit für einen höheren Schwierigkeitsgrad bieten.

Sehr schöne von Tierärzten unter besonderer Berücksichtigung von Katzen-Bedürfnissen entwickelte bewegliche Futterspielzeuge sind z. B. „Pipolino“ und „Three mice”, Doc & Phoebe’s cat Feeder.

Spielzeug für Fortgeschrittene

Äußerst futtermotivierte Katzen, sehr clevere kleine Tiger und die meisten jungen Katzen werden die einfachen Futterspielzeuge sehr schnell verstehen und nutzen und die Aufgaben in kürzester Zeit in rasender Geschwindigkeit lösen. Für diese Katzen brauchen wir schwierigere Spielzeuge bzw. Designs mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden:

  • Schwierigkeitsgrade bei Suchspielen erhöhen: Das geht ganz einfach, indem wir kleine Fummel-Hürden einbauen, wie z. B. Teppiche, Decken, Kisten, Papier, Polstermaterial, Tischtennisbälle, oder gleich ein ganzes „Bällebad“.
  • Activity-Feeder mit flexiblem oder hohem Schwierigkeitsgrad: Diese Spielzeuge mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad bieten die Möglichkeit, Fähigkeiten weiter zu schulen und fordern die Katze durch Training der sogenannten „Inhibitionsfähigkeit“ (hier müssen die Katzen sich von dem Objekt ihrer Begierde erst wieder etwas entfernen, bevor sie es erreichen können).

Die wichtigsten Tipps für ein erfolgreiches Training

  • Motivation: stets mit einer hungrigen, interessierten Katze arbeiten!
  • Positive Reize: Ausschließlich mit positiver Verstärkung erreichen wir einen guten Lerneffekt und erhalten die Motivation.
  • Kontextlernen: Zu Beginn alle Umgebungsbedingungen stets gleich gestalten, erst wenn das neue Verhalten gut etabliert ist, können Ort, Zeit und Co. verändert werden.
  • Geduld: Alle Tricks und neu erwünschten Verhaltensweisen müssen langsam und schrittweise aufgebaut werden („Shaping“: Verhalten wird langsam geformt).

Es gibt viele tolle Anleitungen für selbstgebastelte Foodpuzzles und andere Activity-Spielzeuge für Stubentiger. Erstellen Sie eine kleine Anleitung mit Inspirationen für die Katzenbesitzer in Ihrer Praxis und geben Sie dieses Handout nach jeder Fütterungsberatung und nach jedem Erstbesuch den Katzenbesitzern mit. Hier finden Sie Inspirationen und hier finden Sie Beispiele für Spielmöglichkeiten aus Toilettenpapierrollen.

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Wie und warum verändert sich Verhalten?

  • Verhalten verändert sich nur dann, wenn es für das Individuum auch einen Vorteil hat. Beim Zweibeiner hilft es, Wissen zu vermitteln und gute Argumente zu liefern. Der Mensch kann sich eine Veränderung und ihre positiven Effekte vorstellen.
  • Wenn wir Verhalten ändern wollen, müssen wir Katze und Halter zunächst gleichermaßen motivieren. Für den Besitzer sollte die langfristige Gesundheit und Zufriedenheit der Katze die größte Motivation sein. Oft dauert es etwas, bis die Zweibeiner verstehen, dass sich diese Arbeit lohnt.
  • Die Motivation für die Katze ist ganz klar der Jagderfolg und die Sättigung. Das heißt: Die Katze muss hungrig sein! Das erreichen wir am besten, indem wir in der Vorbereitung auf mehr Abwechslung – ganz dem Bedürfnis der Katze folgend – die regelmäßigen Mahlzeiten in kleinen Portionen aufteilen. Wenn wir dann die neue Spieleinheit so planen, dass eigentlich wieder eine kleine Mahlzeit an der Reihe wäre, haben wir sehr gute Chancen auf eine erfolgreiche Spiel- und Fütterungssequenz.
  • Unbedingt müssen wir an dieser Stelle die Besitzer darauf hinweisen, dass Katzen nie längere Zeit hungern dürfen, da der Stoffwechsel auf konstante Nährstoffzufuhr angewiesen ist und im schlimmsten Falle bei mehrtägigen Hungerkuren ein Leberversagen ausgelöst werden könnte.

Über die Autorin

Yvonne Lambach ist Tierärztin mit Schwerpunkt Katzenmedizin, Mitglied der Deutschen Gruppe Katzenmedizin sowie stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgruppe Katzenmedizin der DGK-DVG.

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