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Wildvögel 8. Juni 2022

Greifvögel sterben an Bleivergiftung

Die Jagd mit bleihaltiger Munition gefährdet insbesondere die Bestände von Stein- und Seeadler.

Greifvögel nehmen Fragmente von Bleimunition mit der Nahrung auf.
Greifvögel nehmen Fragmente von Bleimunition mit der Nahrung auf.
Inhaltsverzeichnis

Von Viola Melchers

  • Das Schwermetall Blei gelangt über bleihaltige Jagdmunition in die Umwelt.
  • Im Körper von Greifvögeln kann das Toxin akkumulieren und zu schweren Vergiftungen führen.
  • Eine aktuelle Studie belegt, dass Greifvogel-Populationen allein aufgrund von bleihaltiger Munition deutlich reduziert sind. Dennoch gibt es bisher noch kein übergreifendes, EU-weites Verbot von Bleimunition.

In Europa fehlen mindesten 55.000 ausgewachsene Greifvögel aufgrund von Bleivergiftungen. Mit erschreckenden Zahlen belegt eine aktuelle Studie mit Beteiligung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), was Naturschützer schon lange fürchten: Bleihaltige Jagdmunition reduziert die Greifvogel-Populationen in erheblichem Maße. 

Applikationstechniken beim Vogelpatienten
Eine Therapie von Vögeln über das Trinkwasser ist in den wenigsten Fällen praktikabel und zielführend. Wer die Basis-Applikationen beim Vogel kennt, kann sicher assistieren und die wichtigsten Proben entnehmen.

Die Wissenschaftler werteten den Bleigehalt der Leber Tausender toter Greifvögel aus ganz Europa aus. Das Ergebnis: Die Gesamtpopulation von zehn Greifvogelarten ist in Europa allein aufgrund von Blei-Intoxikationen sechs Prozent kleiner als sie sein sollte. Deutlich überproportional betroffen sind langlebige Arten, die pro Jahr nur wenige Junge aufziehen: Die Seeadler-Population ist um 14 Prozent reduziert, der Bestand an Steinadlern um 13 Prozent. 

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Zudem konnten die Autoren durch Berechnungen belegen, dass in Gebieten mit hoher Jägerdichte auch mehr vergiftete Raubvögel gefunden werden. Die Autoren können somit erhebliche Auswirkungen der Jagd mit bleihaltiger Munition auf geschützte Arten belegen – das sollte Grund genug sein, um auf Alternativen umzusteigen.

Bleivergiftung beim Vogel


Top Job:


Das Schwermetall Blei kann beim Vogel bei Aufnahme in großen Mengen zu schweren bis tödlichen Vergiftungen führen. Mögliche Symptome von Schwermetallvergiftungen sind Apathie oder ZNS-Symptome, Gleichgewichtsstörungen, Anämie, Ataxie oder Lähmungen, Erbrechen, blutiger Harn und/oder Kot. Klassische Quellen für Ziervögel mit Freiflug in der Wohnung sind beispielsweise bleihaltige Gardinenschnüre, Lametta oder Rostschutzfarben.

(Er)Kennen, Beraten, Vermeiden: Haltungsfehler bei Ziervögeln
Ziervögel, die ausschließlich in Käfigen und Volieren oder mit zeitweisem Freiflug gehalten werden, sind in ihrem Bewegungsspielraum eingeschränkt. Jede dieser Haltungsformen birgt gesundheitliche Risiken.

Wildvögel können direkt durch bleihaltige Munition vergiftet werden. Greifvögel nehmen Fragmente der Bleimunition mit der Nahrung auf, wenn sie verletzte Tiere oder Kadaver fressen. In ihrem Körper akkumuliert das Toxin über die Zeit. Kleinere Dosen können nachweislich Verhalten und Physiologie der Greifvögel verändern, höhere Dosen sind letal. 

Bleifreie Jagd: Alternativen wären verfügbar

Umweltschutzverbände fordern schon seit Jahren einen kompletten Verzicht auf bleihaltige Munition. Es gibt bereits eine Reihe von Alternativen zu bleihaltigen Schrotpatronen und Gewehrkugeln für Jäger, die gut funktionieren.  Dennoch landen nach Angaben des WWF EU-weit jedes Jahr 21.000 Tonnen Bleimunition in der Natur.

Im November 2020 wurde zumindest ein EU-weites Verbot von Bleimunition in Feuchtgebieten beschlossen, das mit Übergangsfristen ab 2023, teilweise ab 2024 greift. Nur in zwei europäischen Ländern – in Dänemark und den Niederlanden – gibt es bereits ein landesweites Verbot von bleihaltiger Flintenmunition.

Jagd mit Bleimunition: ein Flickenteppich in Deutschland

„In Deutschland haben nur vier von 16 Bundesländern die Verwendung von bleihaltiger Büchsenmunition für die Jagd verboten“, sagt Leibniz-IZW-Wissenschaftler und Ko-Autor der Studie, Dr. Oliver Krone. „Darüber hinaus ist Bleimunition in allen Bundesländern im Staatswald und in mehreren Bundesländern in Landeswäldern sowie in Nationalparks und Naturschutzgebieten verboten. Dieser Flickenteppich lässt viel Raum für die weitere Verwendung bleihaltiger Büchsenmunition, auch weil die überwiegende Mehrheit der Jagdgebiete wie Wälder und landwirtschaftliche Flächen in Privatbesitz sind. Teillösungen des Problems reichen nicht aus, um die negativen Auswirkungen der Bleivergiftung auf die Greifvogelpopulationen in Deutschland zu beenden, eine bundesweite Lösung des Problems wäre also notwendig.“

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Greifvogel-Bestände im Sinkflug
Pflanzenschutzmittel, Human- und Veterinärarzneimittel sowie Nagetiergifte (Rodentizide) führen zu toxischen Effekten bei Wildtieren. Davon betroffen sind auch heimische Greifvögel wie Rotmilan, Habicht und Seeadler.

Die Verwendung von bleihaltiger Flintenmunition für die Jagd auf Wasservögel an Gewässern ist in fast allen Bundesländern verboten, für die Jagd auf andere Arten wie Fasane, Hasen, Tauben, Rebhühner, Kaninchen oder Füchse ist diese Munition jedoch weiterhin erlaubt. „Genau wie bei der Büchsenmunition ist die Verwendung bleihaltiger Flintenmunition in den meisten Fällen erlaubt und nur in einigen Fällen verboten“, so Krone abschließend.

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Über die Autorin

Als Fachjournalistin arbeitet Dr. med. vet. Viola Melchers vor allem für die Fachzeitschrift Der Praktische Tierarzt und das Portal Vetline.de. Die promovierte Tierärztin schreibt über Spannendes aus der veterinärmedizinischen Praxis und Wissenschaft.

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