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Verhaltensprobleme

Hasenfuß? Angst beim Hund erkennen

Angst ist eine normale Gefühlsreaktion. Auch bei Tieren gehört ängstliches Verhalten zum Verhaltensrepertoire und sichert in der Natur das Überleben. Was ist normal und was nicht?

Hund, Angst, Versteck
Inhaltsverzeichnis

Von Dr. med. vet. Patricia Solms

Um einschätzen zu können, ab wann eine Angstreaktion als pathologisch anzusehen ist, muss man zunächst die Begriffe Angst, Furcht und Phobie voneinander abgrenzen:

  • Angst ist eine Gefühlsregung, die durch bedrohliche Situationen ausgelöst wird, die von Hund und Katze als gefährlich empfunden, aber nicht durch einen bestimmten Stimulus hervorgerufen werden (z. B. der Tierarztbesuch).
  • Furcht hingegen wird durch eine konkrete Bedrohung ausgelöst, welche rational begründbar ist, z. B. durch einen Feind.
  • Phobien wiederum gehören zu den psychischen Störungen und werden „überwiegend durch eindeutig definierte, im allgemeinen ungefährliche Situationen oder Objekte“ hervorgerufen. Die Phobie ist somit eine unbegründete Angst vor einem Reiz, von welchem in der Regel keine Gefahr ausgeht (z. B. Lärm).

Alle drei Emotionen lösen zudem Stress aus. Dabei ist Stress nicht als Gefühl zu betrachten, sondern bezeichnet eine physiologische Reaktion des Körpers, aktiviert durch äußere (Stimulus) und innere (Belastung) Reize. Durch das Ausschütten von Botenstoffen im Körper kommt es zu einer allgemeinen Erregung (z. B. Wachsamkeit). Unter anderem steigt die Herzfrequenz, der Blutdruck erhöht sich und die Bronchien werden erweitert. Evolutionär sichern diese Reaktionen eine gute Durchblutung der Muskulatur und genügend Sauerstoff (z. B. zum Weglaufen). Somit bedeutet Stress eine Anpassungsreaktion des Organismus, um Herausforderungen durch die Umwelt zu bewältigen. Jedoch ist Stress nicht nur negativ zu betrachten. Es gibt durchaus auch „positiven“ Stress, wie zum Beispiel Vorfreude oder aufregende Freizeitaktivitäten.

Angstverhalten vorbeugen
Wer die Mechanismen versteht, die zu Angst beim Hund führen können, kann mit frühzeitigem Training möglichem Angstverhalten entgegenwirken.

Angstreaktionen werden durch eine Reihe von Mechanismen bestimmt:

  1. Der Hund nimmt einen angstauslösenden Reiz wahr: Er sieht eine Bedrohung.
  2. Die angstauslösenden Informationen werden an das Gehirn weitergeleitet: „Gefahr im Verzug!“
  3. Teile des Gehirns schütten Botenstoffe des Körpers aus: u. a. Adrenalin und Cortisol.
  4. Es erfolgt eine Angstreaktion: z. B. Weglaufen.

Wenn Angst pathologisch wird

Sobald der beängstigende Faktor beseitigt ist (z. B. der Feind ist weg), stellen sich in der Regel wieder die physiologischen Normalwerte ein. Kann sich das Tier jedoch langfristig diesen Stressoren nicht entziehen bzw. diese nicht aktiv beseitigen, kommt es zu einer chronischen Aktivierung der Botenstoffe, worauf der Körper nicht eingerichtet ist. Mit der Zeit kann dies zu psychischen und körperlichen Beeinträchtigungen führen.

Des Weiteren können auch akute Panikreaktionen körperliche Beeinträchtigungen zur Folge haben. Nicht selten reißen sich in Panik geratene Hunde von der Leine los und werden dadurch in Verkehrsunfälle verwickelt. Aber auch Selbstverstümmelung oder Verletzungen im Haushalt, verursacht durch Angstreaktionen, können körperliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen.

„Hilfe, mein Hund jagd“: Was Sie Besitzern raten können
Jagdverhalten gehört zum normalen Verhaltensrepertoire von Hunden. Problematisch und gefährlich wird es insbesondere dann, wenn sie Wild hetzen oder aber andere Hunde, Jogger, Autos und Fahrräder jagen.

Angst oder Furcht ist als pathologisch einzustufen, wenn die Rückkehr zum physiologischen Gleichgewicht und das Wohlbefinden des Tieres erst sehr zeitverzögert einsetzen oder gänzlich ausbleiben, normale Aktivitäten oder soziale Bindungen vernachlässigt werden.

Manche Hunde brauchen Stunden, bis sie nach einem Schreckmoment wieder unter dem Bett hervorkommen, verweigern vor lauter Angst die Futteraufnahme und lassen sich auch nicht durch Leckerli oder Spielaufforderungen ihrer Besitzer ablenken. Solche Reaktionen sind als verzögerte Rückkehr zum physiologischem Gleichgewicht und Wohlbefinden des Tieres anzusehen.

Die Phobie hingegen ist generell als pathologisch anzusehen, wobei hierbei ebenfalls das Ausmaß der darauf folgenden Reaktion berücksichtigt werden sollte. Nicht jeder Mensch, der Spinnen meidet, sollte gleich als psychisch krank eingestuft werden, wohingegen ein Hund, der vor lauter Panik bei einem Gewitter aus dem Fenster springt, durchaus kein „normales“ Angstverhalten mehr zeigt.

Vielfältige Ursachen und Ängste

Die Ursachen von pathologischem Angstverhalten sind sehr vielschichtig. Inwiefern sich die normale Angstreaktion zu einem pathologischen Angstverhalten entwickelt, liegt nicht selten in der Hand des Züchters oder des nachfolgenden Besitzers. Umwelteinflüsse und Erfahrungen, insbesondere während der frühen Entwicklung, können sich nachhaltig auf das Verhalten des erwachsenen Tieres auswirken. Genetische Dispositionen (z. B. bestimmter Hunderassen) spielen ebenfalls eine Rolle. Es gibt Studien, die zeigen, dass sich Verhaltenseigenschaften der Elterntiere auf die Nachkommen vererben können. Bei der Zuchtauswahl sollte daher auf die Verpaarung von Tieren mit Verhaltensproblemen verzichtet werden. Auch körperliche Erkrankungen, wie z. B. anhaltende Schmerzen oder eine Schilddrüsenfehlfunktion, können zu verstärktem Angstverhalten führen und sollten abgeklärt werden.

Mögliche Ursachen für angstbedingte Verhaltensprobleme:

  • genetische Disposition
  • Mängel bei der Welpenaufzucht (unzureichende Sozialisation und Habituation)
  • negative Erfahrungen, traumatische Erlebnisse
  • schlechte Haltungsbedingungen
  • Fehler im Umgang mit den Tieren
  • gesundheitliche Probleme
  • Sonstiges (individuelle Stressfaktoren)

Ebenso vielfältig wie die Ursachen sind auch die Ängste selbst, welche ausgebildet werden: z. B. Angst vor Menschen, anderen Tieren, Artgenossen, Geräuschen, bestimmten Orten, bestimmten Situationen oder Gegenständen. Und auch die Angst vor dem Alleinsein (Trennungsangst) gehört dazu. Letztere wird oftmals nicht als Verhaltensstörung angesehen. Jedoch kann diese ebenfalls zu psychischen und körperlichen Beeinträchtigungen führen, die mit einem mangelhaften Wohlbefinden des Tieres einhergehen. Überschießende Angstreaktionen (z. B. Zerstörungswut oder Kot-/Urinabsatz in der Wohnung) liefern für die Besitzer offensichtliche Hinweise auf eine pathologische Angstreaktion.

Verständnis statt Strafe: Wie helfe ich einem ängstlichen Hund?
Wenn Angstverhalten keine körperlichen Ursachen hat, gilt es, den Auslöser zu identifizieren und den Hund mit den richtigen Therapieansätzen und Hilfsmitteln zu unterstützen. Hier kann die TFA den Besitzer beraten.

Anzeichen von Angst und Stress

Angst, Furcht und Phobien, aber auch Stress sind mit entsprechendem Ausdrucksverhalten und physiologischen Veränderungen verbunden. Daher kann man vom Anblick des Hundes, von der Beobachtung des Verhaltens und von körperlichen Anzeichen auf den emotionalen Zustand der Tiere schließen. Beim Hund sind die Reaktionen dabei sehr vielfältig. Um sich dem angstauslösenden Reiz „Stressor“ zu entziehen, kann das Tier mit vielen unterschiedlichen Verhaltensweisen reagieren. Grundsätzlich kann man die Antworten bei ängstlichem Verhalten durch die „5 Fs“ (aus dem Englischen: fight, flight, freeze, flirt, fiddle/fidget) etwas konkretisieren. Oftmals reagiert der Hund entweder mit Aggression („fight“), Flucht („flight“), erstarrt vor Angst („freeze“), zeigt Beschwichtigungs- oder Demutsverhalten („flirt“) wie z. B. auf den Rücken legen, im Bogen laufen oder sich über die Lippen lecken. Oder er versucht, die Situation durch andere Verhaltensweisen zu entschärfen und zeigt Übersprungshandlungen („fiddle“ oder „fidget“) wie z. B. intensives Schnuppern an einem Grashalm oder Aufforderung zum Spiel. Auch ambivalente Reaktionen sind möglich: Der Hund geht z. B. erst in Demutshaltung („flirt“), um dann doch offensiv zu werden („fight“) oder er geht z. B. in die „fight“-Position, rennt dann aber doch weg („flight“). Alle Reaktionen haben jedoch schlussendlich den Zweck, den Stressor zu entfernen oder fern zu halten.

Allerdings werden die Anzeichen einer Angstreaktion oftmals sehr viel subtiler gezeigt und somit häufig übersehen. Gähnen, Hecheln oder Speicheln wird nicht von jedem Besitzer als Stressreaktion wahrgenommen. Bei einigen Rassen ist das Erkennen von Stressanzeichen auch durch körperliche Begebenheiten erschwert. Gesträubtes Fell, geweitete Pupillen, angelegte Ohren oder ein eingezogener Schwanz sind nicht bei jeder Rasse (z. B. Bobtail) uneingeschränkt sichtbar und machen es daher für manche Besitzer noch schwerer. Dennoch sollten solche Anzeichen möglichst nicht übersehen und Besitzer dahingehend bestmöglich sensibilisiert werden.

Auf einen Blick: Anzeichen für Stress oder ängstliches Verhalten:

  • Hecheln
  • Speicheln
  • Transpiration (z. B. feuchte Pfoten)
  • Haarverlust
  • angelegte Ohren
  • eingezogene Rute
  • geweitete Pupillen
  • Demutshaltung (z. B. auf den Rücken legen)
  • Erstarren
  • Verstecken
  • Auf- und Ablaufen
  • Schwanzwedeln
  • Urin- und Kotabsatz
  • (auch Stress-Durchfall!)
  • Entleerung der Analdrüsen
  • Vokalisation (z. B. Bellen, Jaulen, Jammern)

Über die Autorin

Patricia Solms trägt die Zusatzbezeichnung Verhaltenstherapie und praktiziert in eigener Praxis in Mainz. Kontakt: Tierarztpraxis@Rheinallee.com

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