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Schutz von Weidetieren

Herdenschutz: auf der Suche nach Lösungen

In wolfreichen Regionen werden Herdenschutzhunde zur Verteidigung von Weidetieren eingesetzt. Gefährdet das Passanten und Tierärzte? Ein Gespräch mit der Landestierschutzbeauftragten Julia Stubenbord.

Pyrenäenberghund
Pyrenäenberghund

Von Lisa-Marie Petersen

Sie sind groß und meist weiß wie ihre Schützlinge, die Schafe. Ihr Kampfgewicht liegt bei 60 bis 80 Kilogramm. Die Rede ist von Herdenschutzhunden. Seit sich die einst ausgerotteten Großsäuger wie Elche, Wölfe, Bären und Luchse wieder in Deutschland ansiedeln, werden Rassen wie der Pyrenäenberghund oder der Maremmano vor allem in Brandenburg und anderen „Wolfsbundesländern“ eingesetzt, um Weidetiere zu verteidigen. Doch wie ticken diese Hunde und sind sie – auch für den Tierarzt – berechenbar? Eine schwierige Frage.

Verantwortungsbewusstsein gefragt

„Die Sozialisierung von Herdenschutzhunden ist extrem anspruchsvoll und erfordert ein hohes Verantwortungsbewusstsein“, sagt Julia Stubenbord. Im Gegensatz zu Hütehunden zeigen sie kein Jagdverhalten und treiben nicht, sondern binden sich an ein Territorium samt der darauf lebenden Tiere. „Herdenschutzhunde leben und arbeiten sehr eigenständig und sind wenig auf den Menschen bezogen“, erklärt die Tierärztin. Zudem besitzen sie eine hohe territoriale Aggressivität. Diese ist an sich auch gewünscht, schließlich gehört es zu den Aufgaben der Hunde, durch Bellen und Imponiergehabe auf Störquellen aufmerksam zu machen und Prädatoren zu vertreiben. „Problematisch ist, dass ihr Territorium nicht am Zaun endet“, meint die in Baden-Württemberg tätige Landestierschutzbeauftragte. Dort hatte es im Mai 2017 einen tödlichen Beißunfall einer Passantin mit einem Kangal aus schlechter Haltung gegeben. „Gerade die enge Besiedlung von Bundesländern wie Baden-Württemberg stellt hohe Ansprüche an die Haltung von Herdenschutzhunden, auch an solche in Privathand“, meint Stubenbord weiter. Passanten, Jogger und Kinder – Begegnungen können kaum vermieden werden.

Der Hund als Statussymbol

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Damit die Haltung von Herdenschutzhunden funktioniert, sollten sowohl die Elterntiere als auch die Welpen in der letztlichen Schafsherde geboren und sozialisiert sein. Bereits Welpen und Junghunde müssen selektiert werden – zu aggressive oder unkooperative Tiere sind für den späteren Einsatz ungeeignet. „In der Schweiz werden diese Welpen getötet“, erzählt Stubenbord. Das deutsche Tierschutzgesetz verbietet ein solches Vorgehen. Die Frage ist: Was tun? „In aller Regel will man verhindern, dass ausgemusterte Welpen in Privathand geraten und dort als Statussymbole gehalten werden“, so Stubenbord. Eines möchte die Tierschutzbeauftragte jedoch klarstellen: Nicht der Hund an sich, sondern die Haltung sei meist das Problem. „Wenn ein Herdenschutzhund seine Rasseeigenschaften wie in seinen Ursprungsgebieten ausleben kann, sind diese Hunde herausragende Beispiele für eine Kooperation zwischen Hund und Mensch“, so Stubenbord.

Ohne Sachkunde geht es nicht


Top Job:


Für die Ausbilder und Halter geeigneter Hunde wünscht sich Stubenbord einen verpflichtenden Sachkundenachweis. „Schließlich wird auch sehr viel von den Tieren erwartet“, sagt sie. Entsprechende Ansprüche dürften demnach auch an Halter gestellt werden. Pflicht ist die allgemeine Sachkunde bisher allerdings nur in wenigen Bundesländern wie Schleswig-Holstein oder Niedersachsen. „Ich glaube nicht, dass das Thema auf der Prioritätenliste der Politiker steht“, sagt Stubenbord, die ebenfalls noch nach einer zufriedenstellenden Lösung sucht. Bleibt zu hoffen, dass Halter ihre Hunde zumindest händeln können – falls diese mal zum Tierarzt müssen.

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Über die Autorin

Als Tierärztin horcht Lisa-Marie Petersen gern am Ort des Geschehens nach: Was beschäftigt die Tiermedizin derzeit? Interessante Themen verarbeitet die Fachjournalistin dann in redaktionellen Beiträgen für Print- und Onlinemedien.

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