„Hilfe, mein Hund jagd“: Was Sie Besitzern raten können
Jagdverhalten gehört zum normalen Verhaltensrepertoire von Hunden. Problematisch und gefährlich wird es insbesondere dann, wenn sie Wild hetzen oder aber andere Hunde, Jogger, Autos und Fahrräder jagen.
Hund rennt mit fliegenden Ohren über eine Herbstwiese
Von Dr. med. vet. Barbara Schneider
Beim Jagen lassen sich verschiedene Teilsequenzen unterscheiden, die mehr oder weniger stark ausgeprägt sind: Suchen, Orten, Fixieren, Verfolgen, Anpirschen, Hetzen, Packen, Töten/Schütteln. Manchmal wird auch das Transportieren der Beute an einen sicheren Ort oder aber der Verzehr zum Jagdverhalten gezählt.
Jagdverhalten ist eine selbstbelohnende Verhaltensweise. Schon das Anschleichen und/oder Hetzen kann für den Hund bereits so belohnend sein, dass er die Verhaltensweise in Zukunft häufiger ausführt, wenn er die Gelegenheit dazu erhält. Jagdverhalten ist sehr schwer abzustellen, wenn es sich erst einmal etabliert hat. Bei Hütehunden kommt es oft zu einer Abwandlung des Jagdverhaltens mit Schwerpunkt auf Anschleichen, Hetzen und eventuell auch Schnappen nach Gliedmaßen (Hüteverhalten).
Frühzeitig gegensteuern!
Um unerwünschtem Jagdverhalten beizukommen, ist es am besten, diesem von Anfang an vorzubeugen. Dabei ist es enorm wichtig, bereits bei allerersten Anzeichen von Jagen konsequent an folgenden Empfehlungen zu arbeiten:
- Lenken Sie auf alternative Verhaltensweisen um (je nachdem was der Hund bevorzugt, z. B. Apportierspiele, Nasen- und Fährtenarbeit, Agility etc.).
- Der Hund sollte bei den alternativen Verhaltensweisen gezwungen sein nachzudenken, damit er sich nicht in einen hohen Erregungszustand bringen kann. Dies beugt auch möglichem Suchtverhalten in Bezug auf Spielzeuge vor, wie es z. B. überdurchschnittlich häufig bei Terriern oder auch Border Collies vorkommen kann.
- Unterbinden Sie konsequent jeden weiteren Jagderfolg (auch das reine Hetzen), damit der Hund nicht weiterhin jagen lernt. Bereits bei ersten Anzeichen muss absolute Kontrolle erfolgen (z. B. durch Anleinen).
- Identifizieren Sie die jeweiligen Auslöser genau (z. B. Jogger, Fahrradfahrer etc.). Vermeidung der Auslöser, bis eine adäquate Gegenkonditionierung bzw. Umlenkung erfolgt ist.
- Arbeiten Sie an einer Gegenkonditionierung in Bezug auf den Auslöser des Jagdverhaltens.
- Sorgen Sie für eine insgesamt gute körperliche und geistige Auslastung des Hundes.
- Trainieren Sie die Impulskontrolle.
Wenn Kinder im Haushalt leben
Top Job:
Kinder und Hunde dürfen niemals unbeaufsichtigt zusammengelassen werden! Die Schreie und hektischen, oft unvorhersehbaren Bewegungen von Kindern können Jagdverhalten bei Hunden auslösen. Vor allem wenn ein Kind in einer solchen Situation stürzt, kann es schnell höchst problematisch werden, da weitere Sequenzen des Jagdverhaltens wie Packen, Schütteln oder Töten folgen können.
In seltenen Fällen kann auch ein neugeborenes Baby die Jagdleidenschaft in einem Hund wecken, vermutlich aufgrund seiner Schreie. Aus diesem Grund muss ein Hund in den ersten Tagen mit dem neuen Baby besonders sorgfältig beobachtet und kontrolliert werden.
Jagdausbildung ist kein Allheilmittel
Immer wieder wird Besitzern von jagenden Hunden empfohlen, mit ihrem Tier eine Jagdhundeausbildung zu durchlaufen, um das Jagdverhalten in geordnete Bahnen zu lenken. Zu dieser Taktik ist jedoch grundsätzlich nicht zu raten, da sie nur äußerst selten erfolgreich ist. Zudem erfordert sie, um wirklich wirksam zu sein, dass der Besitzer den Hund tatsächlich auch regelmäßig jagdlich führt.
Hände weg von Elektroreizgeräten!
Unerwünschtes Jagdverhalten gilt auch immer noch als eines der Anwendungsgebiete für sogenannte Elektroschockhalsbänder (Elektroreizgeräte, Teletakt). Die Verwendung solcher Halsbänder ist in Deutschland jedoch nach dem gültigen Tierschutzgesetz ausnahmslos verboten. Dabei ist es nebensächlich, wie die Geräte verwendet werden, sondern entscheidend ist, ob sie den Tieren von ihrer Bauart und Funktionsweise her Schmerzen zufügen können. Zudem müsste in den meisten Fällen ein extrem hoher Schmerzreiz gesetzt werden, um das hochmotivierte Jagdverhalten tatsächlich auch zuverlässig zu unterbrechen.
Wie Sie weitere häufige unerwünschte Verhaltensweisen wie beispielsweise Dominanzverhalten, Aggression und Ungehorsam bei Hunden erfolgreich in erwünschtes Verhalten umlenken, erfahren Sie im Praxisleitfaden „Verhaltensprobleme beim Hund“ von Patricia Solms.
Über die Autorin
Dr. med. vet. Barbara Schneider hat an der Ludwig-Maximilian-Universität in München studiert. Sie ist Fachtierärztin für Verhaltenskunde und betreibt seit 2008 eine eigene Verhaltenspraxis in Freising. Darüber hinaus hält sie Vorträge, gibt Seminare und ist Autorin verschiedener Bücher und Fachartikel. Barbara Schneider war jahrelang wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin für den Bereich Tierverhalten an der LMU München. An der Tufts University in Grafton in den USA absolvierte sie eine Behavior Residency.
Passend zu diesem Artikel
Besitzer von Hunden aus dem Tierheim haben zu Beginn oft mit problematischen Verhaltensweisen der Vierbeiner zu kämpfen. Eine Studie aus den USA hat jetzt untersucht, wie sich das Verhalten im Laufe der Zeit ändert.
Derzeit gestattet das Tierschutzgesetz bei jagdlich geführten Hunden das Kupieren der Rute. Diese Ausnahmeregelung soll abgeschafft werden.
Das Heimtier des Jahres 2024 steht fest: Der Zebraharnischwels überzeugt durch sein Streifenmuster und seinen Status als potenziell vom Aussterben bedrohte Art.