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Verhalten 8. August 2022

Im Wechselspiel: Stress und die körperliche Gesundheit 

Auf dem BSAVA-Kongress beleuchteten Spezialistinnen für Internistik und Verhaltensmedizin die engen Verbindungen zwischen körperlicher und emotionaler Gesundheit.

Stress und Angst beeinträchtigen die Gesundheit.
Stress und Angst beeinträchtigen die Gesundheit.

Flüssig-breiige Haufen sind in den Boxen einer Hundestation Alltag. Häufig stecken nicht Viren oder Bakterien dahinter, sondern der pure Stress. Wir erinnern uns an die Bauchschmerzen vor Anatomie-Prüfungen. Ähnlich geht es wohl allen Säugetieren: Stress erhöhte das viszerale Schmerzempfinden und die Darmmotilität, führt zu einer veränderten Sekretion und intestinalen Permeabilität. Die Regenerationsfähigkeit der Schleimhaut leidet, eventuell auch das Mikrobiom. Kein Wunder, dass die breiigen Haufen überall zu finden sind, wo es für Hunde anstrengend wird: Akuter Durchfall tritt in Zwingern, im Tierheim oder der Hundepension auf, ist aber auch bei Schlittenhunden nach einem Rennen bekannt, auf Reisen oder eben bei Klinikaufenthalten. Aber Stress kann auch zu chronischen Probleme wie dem Reizdarm-Syndrom, möglicherweise sogar der Inflammatory Bowel Disease (IBD) beitragen.

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Auf dem Jahreskongress der British Small Animal Veterinary Association (BSAVA) 2022, der parallel in Manchester und virtuell stattfand, widmeten sich mehrere Vorträge und Diskussionen den engen Verbindungen und Wechselwirkungen zwischen Physiologie und emotionaler Gesundheit.

Stress beeinträchtigt die Gesundheit

Die Internistin und Expertin für Tierernährung Marge Chandler erläuterte die vielfältigen Auswirkungen von Stress: Er beeinflusst das Nerven-, Immun- und Hormonsystem, kann zu Erkrankungen der Haut und Atemwege, aber auch von Magen und Darm beitragen. Chronisch gestresste Menschen haben erwiesenermaßen eine kürzere Lebenserwartung.

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Chandler illustrierte den Zusammenhang mithilfe einer Studie an Greyhounds, die Laurel Miller und Kollegen 2008 auf dem Kongress des American College of Veterinary Internal Medicine vorgestellt hatten. Miller untersuchte zum einen Kortisol bei gesunden Hunden, die zur Blutspende in die Klinik kamen und dort signifikant höhere Level aufwiesen als in Proben, die zuvor Zuhause entnommen worden waren. Zum anderen untersuchten die Forschenden die Kortisol-Level einer zweiten Gruppe von Greyhounds, die eine Woche lang hospitalisiert und operiert wurde. Die Tiere, die in dieser Woche akuten Durchfall bekamen, wiesen höhere Werte auf als ihre Artgenossen.

Gesundheit hat drei Komponenten: Physisches, kognitives und emotionales Wohlbefinden


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Die Hirn-Körper-Achse ist keine Einbahnstraße: Körperliche Erkrankungen können umgekehrt das Verhalten beeinflussen. Das offensichtlichste Beispiel sind Schmerzen. Eine veränderte Körperhaltung, Vokalisationen, Unruhe oder umgekehrt Lethargie, das Vermeiden von Berührungen oder eine aggressive Reaktion darauf: Das alles können Anzeichen für Schmerzen sein.

Doch auch Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes können ungewöhnliche Verhaltensreaktionen nach sich ziehen: So wurde in einer kleinen, von Chandler vorgestellten Studie der Universität Montreal Hunde untersucht, die exzessiv Oberflächen beleckten. Bei etwa der Hälfte der Tiere wurden zuvor nicht diagnostizierte Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes vorgestellt.

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Physische, kognitive und emotionale Gesundheit bilden eine Triade und sind untrennbar, da sind sich die Vortragenden einig. Wer die richtigen Strategien für Therapie und Prävention finden möchte, braucht manchmal einen Blick für die Hintergründe: Steckt hinter der Verhaltensänderung eine körperliche Erkrankung? Hat die körperliche Symptomatik eventuell eine emotionale Komponente? Und welchen Einfluss hat der Stress, dem das Tier durch Tierarztbesuch oder Klinikaufenthalt ausgesetzt ist?

Sarah Heath, Spezialistin für Tierverhalten, fasste es so zusammen: „Wenn wir uns fragen, gibt es ein medizinisches Problem oder ein Verhaltensproblem – dann ist die Antwort immer: beides.“ (VM)

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