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Arzneimittelrecht

Kein Buch mit sieben Siegeln

Für den Verkehr mit (Tier-)Arzneimitteln gelten auch in Deutschland besondere Regeln, denn diese können nicht nur heilsam sein, sondern auch Gefährdungspotenzial für Anwender, Patienten oder die Umwelt besitzen.

Pillenblister mit Paragrafenzeichen im Vordergrund
Inhaltsverzeichnis

Von Dr. med. vet. Henry Ottilie

Der Tierarzneimittelverkehr ist so reglementiert, dass als übliche „Bezugswege“ nahezu ausnahmslos nur der Erhalt über eine Behandlung in der tierärztlichen Praxis oder der Erwerb in einer öffentlichen Apotheke zu benennen sind. Der Versandhandel für Tierarzneimittel ist in wenigen Fällen erlaubt und kann hier vereinfacht als von untergeordneter Bedeutung vernachlässigt werden. Bereits der Bezug über die Apotheken ist mit Ausnahme von rein apothekenpflichtigen Tierarzneimitteln an ein tierärztliches Rezept gebunden. Die rechtliche Grundlage für diese Wege findet sich im Wesentlichen in verschiedenen Paragraphen des Arzneimittelgesetzes, der Verordnung über tierärztliche Hausapotheken und der Arzneimittelverschreibungsverordnung. Durch ihr besonderes Wirkpotenzial unterfallen bestimmte Stoffe den Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes sowie den darauf Bezug nehmenden Vorschriften von Betäubungsmittelverschreibungsverordnung, Betäubungsmittelbinnenhandelsverordnung und Betäubungsmittelaußenhandelsverordnung.

Im Rahmen ihrer Ausbildung sollten Tiermedizinische Fachangestellte mit den grundsätzlichen Vorgaben dieser Rechtsvorschriften vertraut sein.

Die TFA in der Rolle des Mittlers

Tiermedizinische Fachangestellte sind für zahlreiche wichtige Tätigkeiten im Ablauf der tierärztlichen Praxis verantwortlich. Im Rahmen ihrer Berufsausbildung und beruflichen (Weiter-)Qualifizierung haben sie hierfür besonderes Fachwissen in Bereichen wie z. B. Patientenbetreuung, Infektionsschutz, Umgang mit Arzneimitteln, Therapieassistenz u. a. erworben. TFAs sind regelmäßig der erste und auch der letzte Ansprechpartner für Tierbesitzer im Zusammenhang mit Erkrankungs- bzw. Behandlungsfällen der tierischen Patienten. Als „Mittler“ zwischen betreuendem Tierarzt und Patientenbesitzer erhalten TFAs häufig die Aufgabe, Tieren therapiebegleitende Medikamente zu verabreichen, nötige Arzneimittel aus der tierärztlichen Hausapotheke an Tierhalter abzugeben und den Tierbesitzern die Applikation der Mittel zu demonstrieren und zu erläutern. Dabei handeln Tiermedizinische Fachangestellte stets im Auftrag ihres Arbeitgebers (Grundlage hierfür ist u. a. der bestehende Arbeitsvertrag) und müssen deren Anweisungen unverändert ausführen bzw. weitergeben, um sowohl die Sicherheit der Arzneimittelanwendung zu gewährleisten, als auch mögliche Schadens- und Regressfälle zu vermeiden.

Medikamente richtig lagern
Um die gewünschte Wirkung von Medikamenten aufrechtzuerhalten, sollten bei der Lagerung einige Punkte beachtet werden.

Für die Weitergabe von Behandlungsanweisungen empfehlen sich dabei in Stichpunkten formulierte Hinweise. Als Wichtigstes sollten auf jeden Fall die Dosierungsangaben verschriftlicht werden, um Falschdosierungen ebenso zu vermeiden wie spätere Nachfragen, die den Praxisablauf unnötig stören können. Bei der Abgabe von Tierarzneimitteln werden üblicherweise Kopien der Gebrauchsinformationen an die Tierbesitzer weitergegeben. Damit erhalten die Tierhalter noch einmal sämtliche Informationen über die anzuwendenden Mittel und können diese in Ruhe und mit Abstand zur für Tier und Besitzer nicht alltäglichen Konsultation in der Tierarztpraxis später erneut „verarbeiten“. Die Erfahrung zeigt, dass es sinnvoll ist, bei der Übergabe der Medikamente nochmals Hinweise zur Applikation – mitunter müssen die Patienten von ihren Besitzern hierzu auch fixiert werden – zu wiederholen. Die erste Erläuterung durch den behandelnden Tierarzt wird vom Patientenbesitzer zwar aufgenommen, kann aber aufgrund der Aufregung in der besonderen Behandlungssituation oft doch nicht (mehr) in vollem Umfang für die tatsächliche Durchführung zuhause reproduziert werden. Bei diesem Austausch mit dem Tierbesitzer kann gleichzeitig auf Nachfragen eingegangen werden, die sich z. B. auf Wechsel- oder Nebenwirkungen beziehen, und kompetente Tiermedizinische Fachangestellte können mit ihren Antworten den Tierhaltern eventuelle Ängste nehmen. Solche Gespräche vertiefen das Vertrauensverhältnis zum Tierbesitzer nachhaltig, weil TFAs damit als zusätzliche Instanz zum behandelnden Tierarzt die Erwartungshaltung des Patientenbesitzers wahrnehmen und bestätigen oder auch korrigieren können. In dieser Situation, in der die „Hürde“ Untersuchung und Erstbehandlung überwunden ist, versteht der Tierbesitzer, bei welchen Symptomen eine erneute Konsultation erforderlich wird, oder wann noch weitere Geduld für den Heilungsprozess aufgebracht werden muss. In der Folge werden durch diese kurzen Gespräche, die z. B. im Kontext mit der Bezahlung der fälligen Behandlungskosten geführt werden, nachfolgende telefonische Rückfragen, die den sonstigen Praxisablauf durchaus stören können, vermieden. Natürlich ist hierfür ein fundiertes Wissen über die in der Praxis verwendeten Tierarzneimittel erforderlich, das im permanenten Austausch mit den verordnenden Tierärzten aktualisiert werden muss.

Wann, wie, was? Dokumentation, Lagerung und Vernichtung

Mit der Anwendung von Tierarzneimitteln gehen Dokumentationspflichten einher, die oft ebenfalls von den TFAs als Eintragungen in der Patientenkartei zu vermerken sind. Auch hier muss mit der nötigen Sorgfalt agiert werden, damit einerseits den rechtlichen Ansprüchen Genüge getan wird und andererseits nicht durch fehlerhafte Angaben aufwändige Mehrarbeit oder nötige Korrekturen (z. B. bei der jährlichen Inventur des Bestandes) verursacht werden. Die dokumentierten Arzneimittelanwendungen bilden in den Praxisverwaltungsprogrammen einen Baustein bei der Kalkulation der Behandlungskosten und werden meist ebenfalls für die Verwaltung des Arzneimittelbestands genutzt. So kann das Bestellwesen computerunterstützt optimiert werden, und es steht jederzeit ein Überblick über die vorhandenen und zu ergänzenden Tierarzneimittel zur Verfügung. Nicht immer liegt das Bestellwesen für diese Produkte in den Händen der Tiermedizinischen Fachangestellten, aber in den meisten Fällen obliegt es den TFAs, Lieferungen beim Eingang entgegenzunehmen, auf Vollständigkeit zu prüfen und die verschiedenen Produkte in das bestehende Ordnungssystem einzugruppieren. Ob die Medikamente in der tierärztlichen Hausapotheke alphabetisch, nach Indikationsgruppen (Antiparasitika, Schmerzmittel …), nach Hersteller oder anderen individuellen Kriterien sortiert werden, bleibt der Handhabung in der jeweiligen Praxis überlassen.

Recycling von Medikamenten verboten
Sind Arzneimittel erstmal abgegeben worden, darf sie die Praxis nicht wieder zurücknehmen. Diese Vorschrift dient vor allem dem Schutz der tierischen Patienten.

Zu beachten sind allerdings die Lagerungshinweise für die einzelnen Medikamente, damit Qualität und Wirkung dieser für die Dauer der gegebenen Haltbarkeit garantiert bleiben. In der tierärztlichen Hausapotheke soll generell eine trockene, gut belüftete Lagerung bei unter 25 °C , für kühl zu lagernde Mittel eine Temperatur von 6 °C bis maximal 15 °C, und für bei Kühlschranktemperatur aufzubewahrende Produkte eine Temperatur von maximal 6 °C, sichergestellt werden. Diese Lagerungsbedingungen sind auch bei der Unterbringung von Arzneimitteln im Praxisfahrzeug zu beachten. Auch die dort vorhandenen Therapeutika gehören zur tierärztlichen Hausapotheke, unterliegen den gleichen Anforderungen an Lagerung und Schutz vor unerlaubtem Zugriff und sind auch in die jährlich durchzuführende Inventur (§ 13 Absatz 8 TÄHAV) mit einzubeziehen. In der Praxis hat es sich bewährt, den Inhalt der „Autoapotheke“ in regelmäßigen Intervallen – beispielsweise bei monatlichen Reinigungsaktionen – gegen Medikamente aus der stationären Apotheke auszutauschen, um sicherzustellen, dass keine Arzneimittel wegen abgelaufener Haltbarkeitsdaten vernichtet werden müssen. Gerade bei angebrochenen Medikamenten ist die Haltbarkeit oft reduziert (z. B. „Haltbarkeit nach Anbruch: 28 Tage“).

Arzneimittel sind auch zu vernichten, wenn bei ihrer Prüfung festgestellt wird, dass diese nicht mehr einwandfrei beschaffen sind (§ 8 TÄHAV), worauf beispielsweise durch abweichendes Aussehen (Farbe, Ausflockungen), veränderte Konsistenz oder geruchliche Veränderung geschlossen werden kann. Solche Arzneimittel sind bis zur tatsächlichen Vernichtung gesondert, das heißt beispielsweise in einem eigenen Schrankfach, Regal oder Gefäß, das mit dieser Zweckbestimmung („zur Vernichtung“) gekennzeichnet ist, in der Hausapotheke zu lagern. Die Weitergabe sowohl solcher als auch generell noch verwendbarer Arzneimittel an z. B. Vereine, die – mit der lobenswerten Intention zur Hilfe – diese z. B. in anderen Ländern nutzen wollen, ist als unzulässiger Arzneimittelhandel nicht gestattet. Arzneimittel dürfen in der tierärztlichen Praxis nur im Rahmen der sogenannten ordnungsgemäßen Behandlung bei den untersuchten Patienten angewendet bzw. für deren Therapie an die Halter dieser Tiere abgegeben werden.

Rechtsvorschriften tierärztliche Hausapotheke

Der Inhalt dieser Vorschriften sollte in seinen Grundzügen für die Arbeit in der tierärztlichen Hausapotheke bekannt sein:

  • Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG): svg.to/amg
  • Verordnung über tierärztliche Hausapotheken (TÄHAV): svg.to/t_hav
  • Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln (Arzneimittelverschreibungsverordnung, AMVV): svg.to/ammv
  • Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtMG): svg.to/btmg
  • Verordnung über das Verschreiben, die Abgabe und den Nachweis des Verbleibs von Betäubungsmitteln (Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung, BtMVV): svg.to/btmvv

Was ist bei der Abgabe von Tierarzneimitteln zu beachten?

  • Abgabe nur für die untersuchten Tiere/Einzelfälle
  • Kann der Tierhalter die erforderliche Anwendung vornehmen?
  • Sind besondere Sicherheitsanforderungen zu beachten (Tragen von Handschuhen, Vermeidung von Kontakt mit Kindern nach der Behandlung)?
  • Information über Dosierung, Anwendungsart und ggf. Wartezeiten dem Tierhalter schriftlich mitteilen (Anwendungs- und Abgabebeleg)
  • Information des Tierhalters über mögliche Risiken und Nebenwirkungen (Kopie der Gebrauchs-
    information)

<em>Über den Autor</em>

Fachtierarzt für Tierärztliche Informatik und Dokumentation, ist als Wissenschaftler an der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig tätig. Er bearbeitet beim Veterinärmedizinischen Informationsdienst für Arzneimittelanwendung, Toxikologie und Arzneimittelrecht (VETIDATA) täglich Anfragen aus der Praxis zu den besprochenen Themenfeldern.

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