Popularität von Qualzuchten nimmt stetig zu
Zwei Studien zeigen, wie eng die Beziehung von Besitzern zu ihren brachyzephalen Hunden ist. Ihre Beliebtheit wächst, trotz verbreiteten Wissens über Qualzucht und deren Probleme.
Von Lisa-Marie Petersen
Großer Kopf mit hoher Stirn, rundliche Wangen, große Augen, kurze dicke Gliedmaßen und unbeholfene Bewegungen − all dies sind Merkmale des Kindchenschemas, das bereits Konrad Lorenz beschrieb und das bei vielen Menschen das Bedürfnis auslöst, Fürsorge zu übernehmen. Nicht nur Babys, auch brachyzephale Rassen wie der Mops oder die französische Bulldogge bringen diese Eigenschaften mit und behalten sie − im Gegensatz zu heranwachsenden Menschenkindern − ein Leben lang, was sie zu sehr beliebten Hunden macht.
Dass dieses häufig als niedlich oder witzig empfundene Aussehen viele gesundheitliche Probleme mit sich bringt, hält Tierbesitzer nicht davon ab, solche Rassen anzuschaffen. Im Gegenteil: Umfragen zeigen, dass die Popularität brachyzephaler Hunde stetig zunimmt. So ergab eine Statistik des Deutschen Kennel-Clubs, dass die Anzahl der Mopswelpen seit 2002 um 95 Prozent und die von Bulldoggen um 144 Prozent zugenommen hat − trotz steigender Bemühungen von tierärztlicher Seite, über die gesundheitlichen Probleme und Qualzucht zu informieren. Kommen diese Informationen nicht an?
Auf der Suche nach Antworten
Zwei aktuelle Studien haben groß angelegte Befragungen durchgeführt, wobei Studie A nur Besitzer von Möpsen und Bulldoggen (englische und französische)adressierte, während Studie B sowohl für Hunde- sowie Nicht-Hundehalter offen war. Die Fragebögen wurden über den Kennel-Club und Social Media verbreitet, um Antworten unter anderem auf folgende Fragen zu bekommen: Können Tierbesitzer mit dem Begriff Qualzucht etwas anfangen bzw. wie definieren sie diesen? Welche Probleme fallen ihnen bei ihren Hunden auf und wie schätzen sie diese ein?
Interessant ist, dass beide Studien bei der Auswertung zu ähnlichen Erkenntnissen gekommen sind. Diese werden im Folgenden zusammengefasst.
Wissen Tierhalter, was Qualzucht ist (Studie B)?
Top Job:
Die Hälfte der Befragten aus Studie B konnte mit dem Begriff Qualzucht etwas anfangen (vor allem ältere Leute, Frauen und Hundebesitzer); zwei Drittel konnten ihn auch richtig definieren. Am häufigsten nannten sie platte Nasen und Kurzbeinigkeit als typische Merkmale für Qualzucht. 15 Prozent verstanden unter Qualzucht die Bedingungen, unter denen die Tiere aufwachsen und leben müssen (z. B. fehlende Sozialisation von Welpen, Hündinnen als „Wurfmaschinen“).
Mit welchen Krankheiten sahen sich die Hundebesitzer brachyzephaler Rassen konfrontiert (Studie A)?
Die häufigsten gesundheitlichen Probleme der Tiere sind laut Besitzerangaben Allergien, Kornealulzera, Hautinfektionen sowie BOAS (= Brachycephalic obstructive airway syndrome).
Ein Fünftel der über 2.000 befragten Besitzer machte die Angabe, dass ihr Hund bereits eine konfirmationsverändernde Operation durchlaufen hat. 36,5 Prozent der Hunde haben nach Besitzerangaben Probleme mit der Wärmeregulation, 17,9 Prozent Schwierigkeiten zu atmen.
Wie schätzen Besitzer die Lebensqualität brachyzephaler Rassen ein (Studie A+B)?
Trotz der Beschreibung zahlreicher gesundheitlicher Probleme schätzen 70 Prozent der Hundebesitzer die Gesundheit ihres Tieres als gut ein. Klinische Symptome werden als „normal für die Rasse“ gesehen. Es wird nicht angenommen, dass sie negative Auswirkungen auf die Lebensqualität der Tiere haben.
Es muss davon ausgegangen werden, dass viele Hundebesitzer die Atemprobleme ihrer Hunde nicht als solche erkennen. Viele Besitzer glauben allerdings, dass Züchtern mehr am Äußeren als an der Gesundheit und Persönlichkeit der Tiere gelegen ist und dass die derzeitigen Zuchtstandards nicht zur Vitalität der Hunde beitragen.
Warum schaffen sich Hundeliebhaber einen brachyzephalen Hund an?
Brachyzephale Rassen sind aus vielerlei Gründen beliebt: So spielen zum Beispiel der soziale Status, Modetrends („Trendrassen“), die Niedlichkeit und die Individualität der Tiere eine Rolle. Beide Studien zeigen, dass die Beziehung bei brachyzephalen Hunden zwischen Hund und Mensch besonders stark ist und dass sich die Besitzer den Tieren sehr emotional verbunden fühlen. Dies ist bei weiblichen Mopsbesitzerinnen ohne Kinder am stärksten ausgeprägt.
Hier finden Sie die Originalpublikationen:
(A): Packer RMA et al. (2019): Great expectations, inconvenient truths, and the paradoxes of the dog-owner-relationship for owners of brachycephalic dogs.
(B): Steinert K et al. (2019): People‘s perception of brachycephalic breeds and breed-related welfare problems in Germany.
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