Von Constantin Wenning
Claudia ist eine TFA, die mitten im Leben steht. Mit ihren 28 Jahren verfügt sie über ein breitgefächertes Wissen und kann in jeder Abteilung der gutgehenden Kleintierpraxis eingesetzt werden. Ihre 15 Kolleginnen und ihre Chefin wissen ihre Kompetenz zu schätzen und binden sie in Abläufe mit ein. Sie bildet Auszubildende aus und koordiniert das Team. Dafür bekommt sie 1.300 Euro monatlich netto und zwei Fortbildungen im Jahr bezahlt.
Im Vergleich zu anderen TFAs ist Claudia gut aufgestellt, viele ihrer Kolleginnen verdienen weniger und haben kaum Verantwortung. Einige wechseln komplett die Branche und verdienen z. B. beim Discounter deutlich mehr Geld – und das bei geregelten Arbeitszeiten.
Die Angst der Chefs vor starken Angestellten
Ist das Schicksal? Geht Familie und Zukunft aufbauen so? Oder sehen wir einer berufspolitischen Fehlentwicklung ins Auge?
Es besteht Hoffnung. Denn die Tiermedizin ist im strukturellen Wandel angekommen. Durch das Auftreten von Großinvestoren wie Mars oder Evidensia, Diskussionen auf berufspolitischer Ebene und die Arbeit von vielen „Qualitätern“ ist erkannt worden, dass in der Branche ein Umdenken notwendig ist. Bereits etablierte „Subführungskräfte“, die in einer Praxis oder Klinik leitend tätig sind, können nun mit mehr Selbstbewusstsein agieren. Allen anderen sei gesagt: Positioniert Euch jetzt!
Das fehlende Erkennen, Fördern und Fordern von möglichen Führungskräften sowie die Angst vor potenziell starken Teammitgliedern verhindert noch oft ein Entstehen von dringend benötigten Führungsebenen. Es ist nur allzu menschlich. Die Eltern unter Ihnen kennen es – wer möchte sich von seinen Kindern schon korrigieren lassen? Wer möchte als Chef gemaßregelt werden von angestellten und nicht einmal studierten Mitarbeitern?
Kompetenzen nachweisen
Der Alltag regelt vieles von selbst. Aufgaben werden nach Bedarf verteilt, automatisch besetzt, ohne nach Nachweisen oder Kompetenzen zu schauen. Ein Beispiel für die teils unkontrollierte Arbeit, die von der TFA nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt wird, ist die Zahnprophylaxe. Sie erfolgt meist ohne Qualitätskontrolle oder medizinische Abnahme. Doch was darf die TFA eigentlich offiziell? Der Berufsverband (VmF) gibt Antworten auf diese Frage:
Assistieren bei Untersuchung, Behandlung und chirurgischen Eingriffen und helfen bei Notfällen
Betreuung der Patienten vor, während und nach Behandlungen
Versorgen und Pflegen von Patienten bei stationärer Unterbringung
Sorge tragen für tierartgerechte und verhaltensgemäße Haltung von Tieren
Beachtung der Einhaltung des Tierschutzgesetzes
Anwendung von Vorschriften des Umweltschutzes
Durchführung von Hygienemaßnahmen
Schutz der eigenen Person sowie Anderen vor Infektionen und Seuchen
Erstellen von Röntgenaufnahmen
Durchführung von Laborarbeiten
Beraten und Betreuen von Tierhalter und Tierhalterinnen
Tierhalterinnen und Tierhalter über die Möglichkeiten der Prävention und Rehabilitation informieren
Organisation von Betriebsabläufen und Überwachung der Terminplanung
Mitwirken bei Maßnahmen der Qualitätssicherung
Durchführung von Verwaltungsarbeiten
Dokumentation von Behandlungsabläufen, Erfassen von erbrachten Leistungen sowie deren Abrechnung
Ermittlung des Bedarfs an Material sowie deren Beschaffung und Verwaltung
Informations- und Kommunikationssysteme anwenden
Beachten von Regeln des Datenschutzes und der Datensicherheit
Team- und prozessorientiertes Arbeiten
Von Materialbestellung über Patientenberatung bis hin zur Assistenz oder selbstständiger Ausführung von Routineaufgaben – ohne TFA geht nichts. Genau hier liegt Ihre Chance: Machen Sie sich für einen oder mehrere Bereiche attraktiv, ohne durch zu hohen Arbeitseifer Ihre Kompetenzen zu überschreiten (z. B. Stellen von Diagnosen, selbstständiges Anordnen von Medikamenten etc.). Werfen Sie mehr Nutzen für die Praxis ab, so können Sie auch vom Arbeitgeber mehr einfordern, nicht zuletzt ein höheres Gehalt.
Zur Attraktivität gehört ein Kompetenznachweis. Um diesen müssen Sie sich kümmern. Sinnvoll ist auch, sich fundiertes Wissen in Sachen Tools oder Technik anzueignen – sei es die Telefonanlage oder spezielle Software.
Vier Tipps für Ihre Berufsstrategie
1. Planen Sie das Projekt Fortbildung
Fortbildungsplattformen bieten Weiterbildungen zu Management, Marketing oder Qualitätsmanagement an. Diskutieren Sie Kosten und Nutzen mit Ihrem Chef. Warum soll er 1000 Euro für den Lehrgang bezahlen? Wo sehen Sie den Nutzen für den Betrieb? Auch wenn keine TFA-Fortbildungsstunden ausgestellt werden können – das Wissen steht im Vordergrund.
2. Stellen Sie Ihr Kompetenzprofil auf
Zeigen Sie jährlich, besser zweimal pro Jahr, im Gespräch mit Ihrem Chef, wo und wie sich Ihr Profil verbessert hat. Das verschafft Ihnen eine gute Ausgangslage für finanzielle Verhandlungen sowie zur Etablierung im Unternehmen.
3. Zeigen Sie, dass Sie sich um die Praxis kümmern
Das können Sie in Form von konkreten Verbesserungsvorschlägen für Abläufe tun. Hier lassen sich übrigens auch Kolleginnen motivieren, indem die beste Idee zur Idee des Jahres gekürt wird – eventuell wird sogar ein kleiner Preis ausgelobt. Eine andere Möglichkeit bietet die fundierte Auswertung von Daten, soweit diese einsehbar sind: Wo werden Positionen inkonsequent berechnet und wieviel Geld geht verloren? Was sind die zehn Top-Seller der Praxis und wie können andere Leistungen besser verkauft werden (z. B. Futter oder Ernährungsberatung)?
4. Tragen Sie zur Gestaltung der Zukunft Ihres Berufsstandes bei
Das kann z. B. die Mitgliedschaft im Fachverband sein (Verband medizinischer Fachberufe e. V.) oder das Engagement in der Berufsschule oder Prüfungskommission.
Über den Autor
Constantin Wenning, Klinikmanager in der Tierklinik Frankenthal, Auditor, selbstständiger Unternehmensberater und Dozent. Kontakt zum Autor: info@wenning-qm.de