Von Angélique Lubkoll
Ursprünglich stammen Wildkaninchen aus Spanien und sind über Frankreich nach Deutschland eingewandert. Auch der RHD2-Virus wurde erstmals im Oktober 2010 in Frankreich nachgewiesen. Von Frankreich aus breitete er sich in alle umliegenden Länder aus und somit wurden bereits zwischen 2013 und 2014 die ersten 30 Fälle von RHDV-2 in Deutschland nachgewiesen.
Was unterscheidet RHDV-2 von RHDV-1?
Der RHD2-Virus besteht aus einer mutierten Form des RHD1-Virus und gehört ebenfalls zu den Caliciviren. Er ist ein unbehüllter RNA-Virus. Der Unterschied zum RHD1-Virus besteht darin, dass auch Feldhasen erkranken können und daher als mögliche Infektionsquelle eine weitere Gefahr darstellen. Außerdem erkranken an RHDV-2 auch sehr junge Tiere, da keine Nestlingsimmunität bei Tieren besteht, die jünger als vier bis sechs Wochen sind.
Leider ist der Virus auch ohne einen Wirtskörper sehr widerstandsfähig gegenüber Umwelteinflüssen. Bei Temperaturen von +80 Grad Celsius überlebt er noch zwei Tage in der Umwelt, bei niedrigeren Temperaturen hingegen fühlt er sich sehr wohl und bleibt bei +4 Grad Celsius noch sieben Monate pathogen. Es ist also wichtig, auch in den Wintermonaten den Impfstatus aktuell zu halten.
Mögliche Übertragungswege
Als Überträger kommt alles in Betracht, womit die Tiere Kontakt haben. Indirekte Übertragung kann über frische Kräuter, welche der Halter auf dem Feld pflückt (wenn dort infizierte Feldhasen oder Wildkaninchen leben), über Schuhe und Kleidung, die mit in die Wohnung getragen werden und sogar über stechende Insekten erfolgen. Selbst Gemüse aus dem Supermarkt ist als Übertragungsquelle möglich. Eine direkte Erregerübertragung erfolgt über Körperflüssigkeiten infizierter Tiere.
Wie kann man die Tiere schützen?
Den einzigen sicheren Schutz gegen RHDV-2 bietet die Impfung. Als weitere Vorsichtsmaßnahme ist zu empfehlen, bei Haltung in der Wohnung in allen Zimmern Mückenschutznetze an den Fenstern (auch der Balkontür) anzubringen. Ohne ausreichenden Impfschutz dürfen die Tiere kein Grünfutter aus der Natur bekommen. Besitzer sollten ihre Schuhe und Kleidung nicht in Kontakt mit ihren Tieren bringen und die Hände waschen, wenn sie nach Hause kommen. Tiere die draußen leben, sollten schnellstmöglich geimpft werden.
Fast alle erkrankten Tiere sterben
Da die Morbidität bei bis zu 90 Prozent und die Mortalität bei meist 100 Prozent liegt, zeigen ungeimpfte Tiere selten Symptome, bevor sie sterben. Eine Halterin von vier Tieren berichtete: „Gestern war noch alles in Ordnung und heute Morgen lag Klopfer tot im Gehege“.
Die Inkubationszeit beträgt 12–72 Stunden. Fieber, Atembeschwerden, Inappetenz, Unruhe und Apathie gehören zu den Symptomen, die aber selten gezeigt werden. Nach dem Auftreten erster Anzeichen versterben die Tiere innerhalb von 12–36 Stunden.
Viele Halter berichten, dass sie ihre Tiere mit überstrecktem Kopf oder in einer verkrampften Stellung tot vorgefunden haben. Der Grund dafür ist eine plötzliche Atemnot mit anschließendem Erstickungstot. Die Tiere überstrecken sich, weil sie nach Luft ringen. Eine Behandlung erkrankter Tiere ist nicht möglich, eine Notimpfung ist umstritten und derzeit keine Alternative.
Wenn die Seuche ausgebrochen ist
Eine Obduktion des Tierkörpers (z. B. durch das Friedrich-Löffler-Institut) kann den RHDV-2-Verdacht bestätigen. Da das Virus zu einer gesteigerten Blutungsneigung führt (hämorrhagischen Diathese), sind Einblutungen in die Schleimhäute des Respirationstraktes, in die Darm- und Harnorgane und außerdem eine Vergrößerung der Milz (Splenomegalie), Schwellung der Nieren und Hepatitis typische Befunde der histopathologischen Untersuchung. Falls sich der Verdacht bestätigt, darf ein verstorbenes Kaninchen auf keinen Fall beerdigt werden, da der Virus im Kadaver überleben kann. Alternativ besteht die Möglichkeit, den toten Körper in einem Tierkrematorium verbrennen zu lassen, so bekommt der Halter zumindest die Asche seines verstorbenen Lieblings als Erinnerung.
Da die Inkubationszeit nur ein bis drei Tage beträgt, sollten alle übrigen Tiere sofort aus dem Gehege und einzeln in Quarantäne gebracht werden. Alle Einrichtungsgegenstände, mit denen die Tiere in Berührung gekommen sind, müssen desinfiziert und bei Haltung im Garten sollte die Erde mindestens 30 cm abgetragen werden.
Alle übrigen gesunden Tiere müssen schnellstmöglich geimpft werden. Leider kommen überlebende Tiere als RHDV-2-Ausscheider infrage, somit sollten frühestens nach zwölf Wochen neue Tiere ins Gehege einziehen. Eine Blutprobe überlebender Tiere kann zur RT-PCR-Bestimmung ins Labor geschickt werden, um auf RHDV-2 zu testen. Da der Virus nur phasenweise ausgeschieden wird, ist ein negatives Testergebnis nicht unbedingt aussagekräftig. Es kann also nur in der akuten Virämie zuverlässig positiv getestet werden.
Impfstoffe gegen RHDV-2
Bis Anfang 2017 war in Deutschland noch kein RHDV-2-Impfstoff verfügbar. Tierarztpraxen mussten aus Frankreich Impfstoff per Sondergenehmigung importieren. Inzwischen sind zwei Impfstoffe zur Immunisierung gegen RHDV-2 zugelassen: der spanische Impfstoff Eravac® (Hipra) und der französische Impfstoff Filavac VHD K C+V®(Ecuphar). Letzterer schützt sowohl gegen RHDV-1 als auch gegen RHDV-2.
Von den bisherigen klassischen RHDV-1-Impfstoffen schützt Cunivak RHD® (IDT Biologika) Laborstudien zufolge nach einer Infektion mit RHDV-2 ca. 90 Prozent der Tiere vor einem tödlichen Ausgang der Infektion, sofern zweimal im Abstand von zwei Wochen geimpft wurde. Einen 100prozentigen Schutz bietet der Impfstoff nicht.
Praxistipps:
Auf der Homepage der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) finden Sie eine Online-Datenbank mit einer Übersicht über DVG-geprüfte Desinfektionsmittel.
Einen Überblick über zugelassene Impfstoffe für Kaninchen gibt das Paul-Ehrlich-Institut hier.
Über die Autorin
Angélique Lubkoll hat ihre Ausbildung zur TFA 2013 abgeschlossen. Ihre Leidenschaft gilt der Verhaltenstherapie, Haltung und Ernährung von Kaninchen und Meerschweinchen.