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Buchtipp 21. August 2017

Sorgenkätzchen

Ulrike Werner enthüllt mit viel Fingerspitzengefühl, was Katzen ihren Besitzern nicht sagen können.

Smiling woman playing with her cat and holding a book in the living room.
Smiling woman playing with her cat and holding a book in the living room.

Sehr viel Katzenjammer...

... begegnet uns in diesen 18 kurzweiligen Geschichten über verhaltensauffällige Katzen. Es ist unglaublich, was Autorin Ulrike Werner tagtäglich erlebt: angreifende Katzen, Katzen als Kindersatz, pinkelnde Katzen oder Katzen, die den fremdgehenden Ehemann „entlarven“. Als Leser möchte man abwechselnd lachen und weinen.

Ein Buch, das nachdenklich macht. Es ist jedem zur Lektüre empfohlen, der sich eine Katze anschaffen möchte. Auch langjährige Katzenbesitzer erfahren viel über das Wesen und die Bedürfnisse ihres Stubentigers und werden ihn künftig mit völlig anderen Augen betrachten.

Dass das Zusammenleben von Mensch und Samtpfote nicht immer reibungslos verläuft, weiß die ausgebildete Tierverhaltenstherapeutin aus Erfahrung. Mit ihrem Praxismobil ist Ulrike Werner in und um Berlin unterwegs. Eine herausfordernde Aufgabe, wie das folgende Interview mit der Buchautorin zeigt.

Haben Sie sich auch mit der menschlichen Psychologie beschäftigt?

Meine Arbeit besteht gefühlt zu 80 Prozent aus „Menschenarbeit“ und 20 Prozent aus „Katzenarbeit“. Ohne tiefere Kenntnisse der menschlichen Psyche wäre diese Arbeit gar nicht machbar. Ich habe mich damit viele Jahre – auch an der Uni –

beschäftigt. Leider dienen Katzen heutzutage vielen Menschen als Projektionsfläche: Sie müssen Kindersatz oder gar „Kind“, Psychotherapeut, Kummerkasten und Partner zugleich sein.

Welche Probleme gibt es beim Miteinander von Mensch und Katze?

Die meisten Probleme ergeben sich aus Unkenntnis bezüglich artgerechter Bedürfnisse.Unerwünschte Verhaltensweisen wie das Harnmarkieren außerhalb der Katzentoilette oder die stressbedingte psychogene Alopezie (kahl geleckter Bauch) sowie schwere Depressionen mit starkem Übergewicht aufgrund von Langeweile sind leider die typischen „hausgemachten“ Zivilisationskrankheiten der Katze, die ich sehr oft behandeln muss.

Der größte Stress für Katzen ist Langeweile, dann die restriktive Fütterung, ein suboptimales Toilettenmanagement und das Nicht-Ausleben-Können von arttypischem Jagdverhalten. Haubenklos mit Schwingtür samt Filtern im Deckel und Lavendelduft-Streu sowie aufziehbare Spielmäuse und Trockenfutter, das wie Presspappe aussieht, oder eine Hauptbezugsperson, die ganztags arbeitet und somit meist neun bis zehn Stunden außer Haus ist, sind massive Stressoren für eine Katze. Zu Freigängern werde ich nahezu nie gerufen.

Wie lange dauert eine Verhaltenstherapie durchschnittlich?

Die Therapie einer echten Verhaltensstörung (Stereotypie/Zwangsverhalten) erfolgt immer psychopharmakologisch und dauert in der Regel etwa drei Monate. Die Verhaltenstherapie von zwei im selben Haushalt lebenden Katzen, die sich eigentlich – wären sie im natürlichen Lebensraum „draußen“ – gegenseitig aus dem Revier vertreiben würden, weil sie sich einfach nicht mögen (zum Beispiel durch Fehlverknüpfung nach Schreck), ist am langwierigsten. Solche Katzen über intensive und auch aufwändige verhaltenstherapeutischen Maßnahmen wieder zusammenzuführen, kann viele Monate dauern. (sp)

Mehr Details zum Buch:

Ulrike Werner: Sorgenkätzchen. Eine Tierärztin erzählt von ihren außergewöhnlichen Patienten. Penguin 2017, 224 Seiten, 9 Euro, ISBN 978-3-328-10056-0

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