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Foto: Karin & Uwe Annas - stock.adobe.com

Frauendomäne

Tiermedizin ist weiblich

Der einstige Männerberuf Tierarzt entwickelt sich mehr und mehr zur Frauendomäne. Eine Bestandsaufnahme.

Von Lisa-Marie Petersen

Laut Statista waren im Wintersemester 2016/2017 in Deutschland insgesamt 8030 Studenten im Fachbereich Veterinärmedizin eingeschrieben. Nur 1273, also etwa 18 Prozent davon, sind männlich. Die Zahlen sprechen klare Worte: Der einstige Männerberuf Tierarzt entwickelt sich mehr und mehr zur Frauendomäne.

Frauen bevorzugen das Angestelltendasein

Schon jetzt sind bei den berufsfremd arbeitenden Tierärzten die Frauen in der Überzahl – da es in Kliniken und Praxen an familienfreundlichen Arbeitsmodellen zu mangeln scheint. Viele Frauen scheuen die Selbstständigkeit und bevorzugen das Angestelltenverhältnis. Ein Blick in die Statistiken der Bundestierärztekammer zeigt, dass von den angestellten Praxisassistenten bereits jetzt 90 Prozent weiblich sind.

Unflexible Jobmodelle

Ein weiterer Fakt: Tierärztinnen, die Kinder bekommen, kehren zu einem großen Teil gar nicht in den Beruf zurück oder suchen (vergeblich) nach flexiblen Teilzeitstellen. Wenn sie fündig werden, reicht die Bezahlung häufig nur für einen kleinen Zuschuss zum Familieneinkommen aus. Lukrativer und planbarer sind da Stellen in der Industrie oder Lebensmittelhygiene. Im Großtierbereich zeigen die Zahlen, dass der Anteil der angestellten Frauen zwar zunimmt, die Praxisinhaber aber zu 80 Prozent männlich sind. Fraglich ist, wer diese Unternehmen in Zukunft fortführen wird und wie es gerade Landpraxen mit schlechter Infrastruktur ergehen wird.

Was die Arbeitsumstände in der Tiermedizin betrifft, so behaupten böse Zungen immer wieder, dass gerade der hohe Frauenanteil und ihre „unwirtschaftliche Denke“ daran Schuld sei, dass die Gehälter gering und die Arbeitsbedingungen generell schlecht sind. Als „brotlos“ galt der Beruf am Tier allerdings bereits zu Zeiten, als das Geschlechterverhältnis noch umgekehrt war.

Ein Blick zurück

Interessante Erkenntnisse aus der Geschichte liefert die Dissertation „Frauen in der Tiermedizin“ von Bettina Adela Maurer. Diese wirft einen berufsbiografischen Blick auf die Lebensläufe der ersten Tierärztinnen in Deutschland und lässt Frauen der Approbationsjahrgänge 1950–1952 und 1958–1989 in Interviews von ihren Erfahrungen in Studium und Beruf berichten.

Beim Lesen wird deutlich, dass sich bis heute zwar viel, aber doch nicht alles verändert hat. So brauchte die erste in Deutschland namentlich erwähnte Frau in der Veterinärmedizin, Agnes Sjöberg aus Finnland, für den Abschluss ihres Studiums 1915 in Berlin noch eine extra Genehmigung durch die Regierung, da das starke Geschlecht für den Beruf als „nicht geeignet“ galt. Erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs kam es zu einem merklichen Anstieg des Frauenanteils im Studium, wobei die Studienfachwahl von vielen Eltern schlecht geheißen (Tierärzte als „Mediziner zweiter Klasse“) und von männlichen Kommilitonen aufgrund aufkommender Konkurrenz mit Misstrauen beobachtet wurde.

Als großes Ärgernis empfanden die Frauen chauvinistische Kommentare, die ihnen als Studienziel die Heirat und damit fehlende Arbeitsabsicht unterstellten. Bis heute gleich geblieben sind hingegen die Beweggründe für die Studienplatzwahl: Neben einem gewissen Idealismus und einem medizinisch-wissenschaflichen Interesse spielt damals wie heute der Wunsch, mit Tieren zu arbeiten, eine unverändert große Rolle. Auch das Gefühl, „nichts zu können“ und ins kalte Wasser geworfen zu werden, betraf Berufsanfängerinnen zu allen Zeiten gleich. Ob das Studium in Zukunft anders organisiert wird und wie die vielen Frauen die Tierarztbranche verändern werden, wird die Zukunft zeigen. Vielleicht wird es ja irgendwann eine Männerquote geben.

Über die Autorin

Als Tierärztin horcht Lisa-Marie Petersen gern am Ort des Geschehens nach: Was beschäftigt die Tiermedizin derzeit? Interessante Themen verarbeitet die Fachjournalistin dann in redaktionellen Beiträgen für Print- und Onlinemedien.

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