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Praxisreportage 10. Dezember 2018

Wenn das (Meer-)schwein pfeift ...

In einem bunten Team, einer modern ausgestatteten Praxis und mit Vogelgesang praktiziert Heimtierexperte Thomas Göbel in Berlin.

Von Lisa-Marie Petersen

Was fällt Ihnen ein, wenn Sie an eine Kleintierpraxis mit dem Schwerpunkt Heimtier denken? Folgende Assoziationen brachten meine Gehirnwindungen vor dem Besuch bei Privatdozent Thomas Göbel in Berlin hervor. Punkt eins: Kaninchen, Meerschweinchen, Mäuse, Chinchilla und Co – die interessieren vor allem Frauen, seien es Tierärzte oder Halter. Punkt zwei: Bei Kleinsäugern kann der Tierarzt nicht viel ausrichten, denn Geld wollen die Besitzer eh keines bezahlen. Punkt drei: In einer Praxis mit Schwerpunkt Heimtier sind sowohl die diagnostische als auch die OP-Ausstattung überschaubar, siehe Assoziation zwei. Der Besuch bei Thomas Göbel hat mich eines Besseren belehrt.

<sup>Erster Einblick in den Praxisalltag</sup>

10 Uhr. Im Wartezimmer der Klein- und Heimtierpraxis im Bezirk Wilmersdorf nimmt der Tag seinen Lauf. Am Empfang möchte eine Tierbesitzerin ein Medikament für eine Rennmaus abholen, da das Tier unter einer wiederkehrenden Mittelohrentzündung leidet und der Tierarztbesuch zu viel Stress bedeutet. Der Chef scrollt durch seine Termine. Impfungen bei einem Junghund, zwei Katzen und zwei Kaninchen, ein weiteres Kaninchen mit vereitertem Auge und der Schall bei einem Meerschweinchen mit Mammatumor stehen als Erstes im Terminkalender. Später folgen die minimalinvasive Kastration einer Hündin und eine Rhinoskopie. Die Termine spiegeln die zwei Schwerpunkte der Praxis wider − neben der Behandlung von Heimtieren werden hier regelmäßig minimalinvasive Operationsverfahren durchgeführt. „Mit der Technik haben wir großartige Erfahrungen gemacht“, so Göbel. Die Tiere erholen sich nach dem Eingriff sehr schnell und müssen von ihren Besitzern quasi gebremst werden, um nicht gleich wieder herumzutoben.

<sup>Geht nicht gibt‘s nicht</sup>

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Göbel, den schon als Kind die Biologie und Wildtierfotografie faszinierte und der über eine Doktorarbeit am Studienort Gießen zunächst zu Vögeln und Reptilien und in seiner Anschlussstelle an der Kleintierklinik der FU Berlin letztlich zu den Heimtieren fand, führt die Praxis inzwischen seit 16 Jahren. „Zu Beginn meiner Tätigkeit an der Uni hörte ich oft den Satz, dieses und jenes, das gehe beim Heimtier nicht“, erzählt der Tierarzt. Eine unbefriedigende Aussage, wie Göbel fand. Blutabnahme, Schall, OPs − warum sollte das nicht auch bei Kleinsäugern möglich sein? Schnell zeigte sich, dass vieles machbar war. Nach seiner Habilitation und einer einjährigen Tätigkeit als Professor in Amerika entschied sich der Spezialist dann für die Selbstständigkeit, um sich persönlich weiterzuentwickeln. Die ursprüngliche Ein-Mann-Praxis ist seither zu einem 20-köpfigen Team herangewachsen. „Eigentlich bräuchten wir mehr Platz“, so Göbel. „Aber finden Sie mal eine Immobilie in Berlin, die von Größe, Erreichbarkeit und Standort passt. Das ist fast unmöglich.“

<sup>Vorurteile über Bord</sup>


Top Job:


Wer mehr Quadratmeter benötigt, wer gewachsen ist, der hat in der Regel gut zu tun. 80–100 Patienten zählt die Praxis von Thomas Göbel täglich, der Heimtieranteil liegt bei gut 50 Prozent.

Platz braucht es für die Tierbehandlungen vom Chef und allen Angestellten (da auffällt, dass auch im Helferteam viele Männer sind, hake ich meine Frauen-Heimtier-Assoziation ab), für den gut ausgestatteten OP (auch die Assoziation, dass es in Heimtierpraxen wenig Technik gibt, verpufft), das ebenfalls gut bestückte Labor (so viel zu mangelnder Heimtierdiagnostik …) und die Station, auf der sich derzeit singende Ziervögel, mehrere Kaninchen, eine Katze und eine verwurmte Schildkröte tummeln.

„Wir wollen ein vielfältiges Diagnostik- und Therapiespektrum anbieten“, so Göbel. Seiner Erfahrung nach scheuen Besitzer auch bei Heimtieren nicht vor anfallenden Kosten zurück. „Das sind häufig Liebhabertiere.“ Auch das bunt gemischte Tierärzte-und Helferteam hat er bewusst ausgewählt. Frauen und Männer, unterschiedliche Spezialkenntnisse, verschiedene Charaktere. „Jeder Tierbesitzer hat persönliche Vorlieben, was den Tierarzt angeht.“ Einige könnten besser mit Frauen, andere wollen unbedingt einen männlichen Tierarzt. Er persönlich liebe den Kontakt zu Tier und Mensch, so Göbel. Auch nach 16 Jahren Selbstständigkeit gehört die tägliche Sprechstunde für den Spezialisten immer noch zu den Highlights des Tages. Übrigens engagiert sich der Experte im Rahmen der Initiative tiermedizinische Schmerztherapie (kurz ITIS) für die fachgerechte analgetische Versorgung von Heimtieren. Derzeit arbeitet er gemeinsam mit Kollegen an der Neuauflage der Empfehlungen zur medikamentösen Schmerztherapie für Klein- und Heimtiere. Darüber hinaus ist Thomas Göbel im Vorstand der DVG-AG Kleinsäuger.

Hier geht's zu seiner Praxis.

Über die Autorin

Als Tierärztin horcht Lisa-Marie Petersen gern am Ort des Geschehens nach: Was beschäftigt die Tiermedizin derzeit? Interessante Themen verarbeitet die Fachjournalistin dann in redaktionellen Beiträgen für Print- und Onlinemedien.

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