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Geruchsdiagnose 7. November 2018

Spürhunde erschnüffeln Bakterium

Trainierte Hunde können in der Mastitis-Milch den Krankheitserreger über den Geruch identifzieren.

Macro einer schwarzen Hundenase
Macro einer schwarzen Hundenase

Von Dr. med. vet. Viola Melchers

Für die bakteriologische Untersuchung von Milchproben wird meist eine Kultur auf Blutagar angelegt. Auf diese Weise dauert es zwischen 24 und 48 Stunden, bis der Erreger identifiziert ist. Diese Verzögerung bringt den behandelnden Tierarzt in ein Dilemma: Antibiotika-Leitlinien legen ihm nahe, möglichst erst nach einer mikrobiologischen Diagnose gezielt antibakteriell zu therapieren, auf der anderen Seite muss die Behandlung zügig beginnen. Wie schön wäre es, wenn man nur an der Mastitis-Milch schnüffeln müsste, um sofort zu wissen, welcher Erreger das Krankheitsgeschehen verursacht! Eine aktuelle Studie von Carola Fischer-Tenhagen und Kollegen zeigt für Staphylococcus (Staph.) aureus: Trainierte Hunde sind dazu tatsächlich in der Lage.

Der Geruch von <em>Staph. aureus</em> auf Blutagar

Für die Untersuchungen wurden Milchproben von Kühen mit klinischer Mastitis verwendet. Nachdem die Erreger identifiziert waren, wurden sie für Experiment 1 erneut auf Blutagar kultiviert und ein Tupfer im Deckel der Agarplatte angebracht, um eventuelle Gerüche aufzunehmen. Die Hunde mussten die Staph.-aureus-Tupfer erkennen – zwischen anderen Tupfern mit Gerüchen von Escherichia coli, Streptococcus uberis, Streptococcus dysgalactiae, Pseudomonas aeruginosa und Candida albicans. Acht Hunde wurden getestet, vier davon machten keinen einzigen Fehler. Die Sensitivität des Tests lag bei über 91 Prozent, die Spezifität sogar bei fast 98 Prozent.

<em>Staph. aureus</em> in Milch erschnüffeln

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In den Experimenten 2 und 3 galt es dann, mit Staph. aureus geimpfte Milchproben zu identifizieren. Andere Tupfer enthielten die Gerüche von Milchproben mit Streptococcus uberis, Enterococcus oder ungeimpfter Tankmilch.

Fünf bzw. sechs Hunde nahmen am Training teil, vier davon wirkten in Experiment 2 jedoch sehr gestresst und mussten abbrechen. Die Autoren halten daher die zunächst verwendete Erregerkonzentration in der Milchprobe von 103 cfu/ml für zu niedrig, um von den Hundenasen entdeckt zu werden. In Experiment 3 wurde eine höhere Konzentration von 108 cfu/ml verwendet. Die Hunde gerieten nicht in Stress, die Sensitivität stieg wieder auf etwa 83 Prozent, die Spezifität auf 98 Prozent.


Top Job:


Ohne weiteres Training wurde fünf Hunden in Experiment 4 schließlich die Aufgabe gestellt, den Erreger in Milchproben infizierter Kühe zu entdecken. Sensitivität und Spezifität lagen bei 59 und 93,2 Prozent. Flocken, Blut und Eiter in der Milch könnten den Spürnasen hier ihre Aufgabe erschwert haben. Weil ein einzelnes Tier allerdings weit bessere Werte erreichte, nehmen die Autoren an, dass weiteres Training der Hunde den Test unter Umständen noch verbessern könnte.

Ein Erreger mit spezifischem Geruch

Einige Krankheiten und Pathogene lassen sich am Geruch erkennen, das ist im Grunde seit Hippokrates bekannt. Doch die Geruchsprüfung als diagnostische Maßnahme ist etwas in Vergessenheit geraten. In den letzten Jahren ist man mithilfe von Technologien wie Gaschromatografie, Massenspektrometrie oder sogenannten „elektronischen Nasen“ zunehmend den volatilen Indikatoren verschiedener Krankheitserreger auf der Spur. Gleichzeitig zeigen verschiedene Untersuchungen, dass auch Tiere mit feinen Nasen Pathogene identifizieren können: So erschnüffeln Gambia-Riesenhamsterratten den Tuberkuloseerreger in der Spucke infizierter Patienten und Spürhunde wurden bereits darauf trainiert, Streptomyces sp. oder Clostridium difficile anzuzeigen. Die vorliegende Untersuchung weist nun nach, dass auch Staph. aureus einen spezifischen Geruch emittiert, der auch über einer Milchprobe vorhanden und von trainierten Hunden identifizierbar ist. Diese Erkenntnis könnte einen Schnelltest für Mastitis-Pathogene ermöglichen, gegebenenfalls auch mittels technischer Hilfsmittel wie einer elektronischen Nase.

Hier finden Sie die Originalpublikation.

Vier Fragen an die Expertin Carola Fischer-Tenhagen

Ist der Einsatz von Spürhunden als diagnostisches Hilfsmittel in der Praxis vorstellbar?

Nein, eher nicht. Die Untersuchung war das Folgeprojekt einer Studie zur Brunsterkennung bei Kühen durch Spürhunde. In diesem Einsatzbereich können die Hunde wirkliche Partner sein. Bei der Erkennung von Staphylococcus aureus in Milchproben war unser Ansatz eher, zu beweisen, dass eine Diagnose des Erregers in Milch über den Geruch tatsächlich möglich ist. Hunde arbeiten da „holistischer“ als die Technik, nehmen den Gesamteindruck des Geruchs auf. Für die Praxis kommen dann eher technische Hilfsmittel infrage.

Ist die Technik bereits so weit, dass ein Schnelltest per elektronischer Nase in absehbarer Zeit praxisreif sein könnte?

Elektronische Nasen werden momentan nur experimentell verwendet, aber der Einsatz in der Erregerdiagnostik wird auch in der Humanmedizin intensiv erforscht. Die Ergebnisse sind vielversprechend.

Unsere Arbeitsgruppe arbeitet gerade an einem Versuch zur Geruchsdiagnostik von Mastitiserregern mithilfe einer elektronischen Nase. Ich denke schon, dass diese Form der Diagnose bald für die Praxis relevant werden wird.

Auch elektronische Nasen müssen auf Gerüche „trainiert“ werden. Sie zeichnen ein Geruchsmuster auf, zum Beispiel von Staphylococcus aureus, das sie dann in neuen Gerüchen wiedererkennen können. Es macht Sinn, die Geräte für bestimmte Ställe zu trainieren, weil stallspezifische Gerüche den Erregergeruch sonst überlagern können. Für die Praxis bedeutet das, dass die „Nase“ auf dem Betrieb bleiben müsste – lohnen würde es sich daher zunächst für Großbetriebe. Aber die technische Entwicklung geht ja weiter.

Lassen sich auch andere Mastitis­erreger per Geruchsdiagnostik nachweisen?

Ja. Viele Erreger haben spezifische Abbauprodukte, die zu einem erregerspezifischen Geruch führen. Das wurde z. B. auch für Clostridien und Mykobakterien bereits gezeigt.

Wäre auch der Nachweis einer subklinischen Mastitis durch elektronische oder Hundenasen denkbar?

Ja, sicher. Wir weisen ja nicht die Entzündung nach, sondern den Erreger. Da ist es letztlich egal, ob die Mastitis klinisch ist oder nicht. Unsere Versuche haben zwar gezeigt, dass eine ausreichend hohe Erregerkonzentration beim Training eine Rolle spielt. Haben die Hunde aber erst einmal gelernt, einen Geruch zu identifizieren, sind sie vermutlich auch in der Lage, deutlich geringere Konzentrationen zu erkennen.

Über die Autorin

Als Fachjournalistin arbeitet Dr. med. vet. Viola Melchers vor allem für die Fachzeitschrift Der Praktische Tierarzt und das Portal Vetline.de. Die promovierte Tierärztin schreibt über Spannendes aus der veterinärmedizinischen Praxis und Wissenschaft.

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