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Verhalten 3. Mai 2018

Fauchen, Beißen, Kratzen: Aggression bei der Katze

Aggressionsverhalten ist unerwünscht. Nur wer die Situation, in der die Katze das Verhalten zeigt, genau analysiert und möglichst viele Zusammenhänge und Auslöser erkennt, kann es verstehen.

Katze faucht
Katze faucht
Inhaltsverzeichnis

Von Dr. med. vet. Kerstin Röhrs

Aggressionsverhalten ist eigentlich eher ein Symptom für eine Störung und keine eigenständige Diagnose und kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden. Grundsätzlich kann alles, was das Wohlbefinden der Katze beeinträchtigt, ursächlich sein. Für eine gute Compliance des Besitzers und das Verständnis der zu ergreifenden Maßnahmen ist es oft sinnvoll, zwischen Ursache und Auslöser zu unterscheiden. Eine klare Trennung ist in der Realität oft nicht möglich, sowohl bei den Ursachen als auch bei den Auslösern können Mischformen vorliegen. Es ist dann notwendig, dem Besitzer zu erklären, warum welche Maßnahmen getroffen werden sowie eventuelle Schwerpunkte und den zeitlichen Ablauf („was zuerst“) zu erläutern.

Differenzialdiagnosen

Vor einer Beurteilung sollte die Katze auf jeden Fall gründlich untersucht werden, um mögliche klinische Erkrankungen als Ursache für das aggressive Verhalten zu identifizieren und zu behandeln Als Differenzialdiagnosen kommen verschiedene Aggressionsformen sowie Angststörungen und spezifizierte Aggressionsformen im Rahmen abnormal-repetitiven Verhaltens bzw. deren Ursachen infrage. Auch klinische Erkrankungen können mit dem Auftreten von Aggressionsverhalten einhergehen und sollten differenzialdiagnostisch abgeklärt werden.

Aggressionsformen bei der Katze

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  • Angstaggression

  • schmerzbedingte Aggression

  • irritative Aggression/Petting & Biting

  • pathophysiologische Aggression

  • erlernte Aggression

  • umgerichtete Aggression

  • intraspezifische Aggression

  • possessive (besitzbezogene) Aggression

  • spielerische Aggression

  • territoriale Aggression

  • idiopathische Aggression

Um aggressives Verhalten hinsichtlich der Ursachen, der Empfehlung zu ergreifender Maßnahmen und der Prognose genauer beurteilen zu können, ist es sinnvoll, manche Aspekte genauer zu betrachten. Eine ausführliche Tabelle zur Beurteilung aggressiven Verhaltens finden Sie als PDF im Anhang.


Top Job:


Wichtig: Die Ursachen hinterfragen! Häufig lässt sich das aggressive Verhalten einer Katze nicht konkret oder ausschließlich auf eine Ursache zurückführen. Eine ausführliche mündliche Befragung oder das Beantworten eines (standardisierten) Fragebogens kann helfen, die Ursache herauszufinden. Erfahrungsgemäß fallen den Besitzern beim Beantworten der Fragen Details oder Zusammenhänge ein, die ihnen sonst eventuell nicht aufgefallen wären.

Allgemeine Therapieansätze

Die spezielle Therapie hängt von der konkreten Diagnose im Einzelfall ab. Grundsätzlich beinhalten allgemeine Therapieansätze folgende Maßnahmen:

  • Sofortmaßnahmen

  • Abklärung klinischer Ursachen bzw. deren Behandlung

  • Erklärung über die Entstehung des Problems, Vermittlung von Grundlagenwissen

  • Optimierung der Lebensumstände

  • verhaltenstherapeutische Techniken

  • Training eines erwünschten Alternativverhaltens

Darüber hinaus kann auch die Gabe von Nahrungsergänzungsmitteln oder Psychopharmaka sinnvoll sein. Ob und welche Präparate im Einzelfall zu empfehlen sind, kann nur ein Tierarzt entscheiden.

Sofortmaßnahmen und Aufklärung

Aggressionsverhalten bei Katzen kann für die Umgebung mehr oder weniger gefährlich sein. Die Beratung des Besitzers sollte daher unbedingt Hinweise zu Sofortmaßnahmen enthalten, bei denen die Verhinderung weiterer Vorfälle im Vordergrund steht.

Aggressives Verhalten kann auch in Zusammenhang mit verschiedenen Erkrankungen stehen. Zu den Sofortmaßnahmen gehört daher auch die Abklärung der klinischen Ursachen und deren Behandlung.

Damit Besitzer die vorgeschlagenen Maßnahmen konsequent umsetzen, sollte ihnen die Entstehung des Problems genau und verständlich erläutert werden. Hilfreich ist auch, ihnen Grundlagenwissen zum Thema „Aggressives Verhalten bei Katzen“ zu vermitteln, wie zum Beispiel:

  • Sozialverhalten und Ausdrucksverhalten von Katzen

  • Zusammenhang zwischen Aggression und Stress/Angst

  • Lernverhalten/Verstärkung von Verhalten

  • Möglichkeiten, die Wohnung katzengerechter zu gestalten

  • Risikofaktor „aggressive Katze“ (Einschätzung der Gefährlichkeit)

Verbesserte Lebensumstände

Eine Verbesserung der Bedingungen der Katzenhaltung kann Stress reduzieren. Besonders die Schaffung von Rückzugsplätzen ist in diesem Zusammenhang wichtig: Hat die Katze die Möglichkeit, sich zurückzuziehen, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sie bei Konflikten als Hauptstrategie Aggressionsverhalten zeigt. Beispiele für entsprechende Maßnahmen sind:

  • Um- oder Abbau von Passagen und Engpässen, die für die Katze schwierig sind, z. B. auf dem Weg zum Futter, zur Katzentoilette oder zum Ruheplatz

  • Insgesamt mehr Rückzugsplätze an geeigneten Orten schaffen.

  • Zusätzliche Futterplätze oder Katzentoiletten an alternativen Orten aufstellen.

Verhaltenstherapeutische Techniken

Je nach Aggressionsform können verschiedene verhaltenstherapeutische Techniken zum Einsatz kommen und je nach Behandlungsziel auch miteinander kombiniert werden, zum Beispiel:

  • Habituation (Gewöhnung an einen Reiz)

  • Desensibilisierung (schrittweise Gewöhnung)

  • Gegenkonditionierung (Veränderung eines Gefühls/Verhaltens, das durch einen bestimmten Reiz ausgelöst wird)

  • Spieltherapie

Training erwünschten Alternativverhaltens

Katzen lassen sich sehr gut trainieren. Voraussetzung für ein erfolgreiches Training ist die korrekte Anwendung geeigneter Trainingsmethoden – dafür braucht der Besitzer ein gewisses Grundlagenwissen.

Es ist wichtig, die Übungen zunächst ohne den Faktor, der das aggressive Verhalten auslöst, zu trainieren und mit wenig Ablenkung zu beginnen. Erst dann wird das Verhalten in vielen unterschiedlichen Situationen (verschiedene Kontexte, unterschiedlicher Ablenkungsgrad) geübt.

Grundsätzlich sollte im Alltag erwünschtes Verhalten (= entspanntes, ruhiges, freundliches) belohnt und unerwünschtes Verhalten ignoriert werden (z. B. durch Weggehen).

Das gezielte Training verschiedener Übungen ist aus mehreren Gründen sinnvoll:

  • Etablierung eines Systems, das erwünschtes Verhalten belohnt

  • Verbesserung des Verhältnisses zum Besitzer: Besitzer ist Quelle „leckerer Dinge“ (Training über positive Belohnung)

  • Training von Kommandos zur Kontrolle der Katze („Komm her“, „Geh durch die Tür in ein anderes Zimmer“, „Lass dich berühren“).

  • Beschäftigung und Auslastung der Katze

Angstaggression

Eine der häufigsten Aggressionsformen ist die Angstaggression. Katzen zeigen aggressives Verhalten aus Angst, wenn sie sich durch eine Situation, einen Gegenstand etc. oder eine Person bedroht fühlen – insbesondere, wenn die kritische Distanz unterschritten wird und keine Möglichkeit zur Flucht besteht.

Aus Angst kann es auch zu einer umgerichteten Aggression gegenüber einer unbeteiligten Person kommen. Die Angstaggression äußert sich meist sehr heftig und unkontrolliert. Die Heftigkeit, mit der die Katze reagiert, ist häufig proportional zur Intensität der empfundenen Bedrohung und wird von defensivem Ausdrucksverhalten begleitet. Wenn die Katze es wiederholt zeigt und Lernen stattfindet, können die Signale allerdings auch offensiver werden. Eine Aufstellung der defensiven und offensiven Reaktionen im Ausdrucksverhalten angstaggressiver Katzen finden Sie aufals PDF im Anhang..

Als Hauptursachen sind z. B. mangelhafte Sozialisation, Schmerzen oder frühere negative Erfahrungen zu nennen. Auch genetische Ursachen werden diskutiert.

Katzen lernen sehr schnell durch aversive (Abneigung auslösende) Erfahrungen. Sie erinnern sich an die auslösenden Faktoren und reagieren daraufhin immer früher und eventuell auch immer heftiger. Außerdem ist aggressives Verhalten oft selbstbelohnend (Auslöser weicht zurück). Nachdem die Auslöser für das aggressive Verhalten identifiziert sind, sollten Managementmaßnahmen zur Verhinderung weiterer Vorfälle getroffen werden. Als Maßnahmen können verhaltenstherapeutische Techniken wie Habituation (Gewöhnung), Desensibilisierung oder Gegenkonditionierung zur Anwendung kommen. Auch Pheromone oder Pharmazeutika können angezeigt sein.

Im Sinne der Gefahrenabwägung ist insbesondere in Fällen, bei denen die Katze offensiv aggressives Verhalten zeigt und/oder es schon zu Verletzungen von Menschen oder anderen Tieren gekommen ist, ein auf Verhaltensmedizin spezialisierter Tierarzt zurate zu ziehen.

Buchtipp: Eine ausführliche Darstellung verschiedener Aggressionsformen der Katze, Trainingsmöglichkeiten sowie Tipps und Infoblätter zur Beratung der Besitzer finden Sie in dem neuen Ratgeber "Verhaltensprobleme bei der Katze - Von den Grundlagen bis zum Management" von Patricia Kaulfuß (Hrsg). Schlütersche 2018, ca. 160 Seiten, ca. 29,95 Euro, ISBN 978-3-89993-974-3

Verhaltensprobleme bei der Katze
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Über die Autorin

Dr. med. vet. ­Kerstin Röhrs ist Fachtierärztin für Verhaltenskunde mit der Zusatzbezeichnung „Verhaltenstherapie“, Buchautorin und betreibt eine Gemeinschaftspraxis mit angeschlossener Hundeschule in Hamburg: www.struppi-co-verhaltenstherapie.de.

Kostenfreier Download

Tabellen_ Roehrs1.pdf (463.14 KB)
Tabellen_ Roehrs2_0001.pdf (464.99 KB)
Tabellen_ Roehrs3.pdf (463.01 KB)
Tabellen_ Roehrs4.pdf (460.85 KB)

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