Alt und weise – das Zusammenleben mit dem alten Hund
Tierische Patienten werden dank besserer medizinischer Versorgung immer älter. Dies gilt auch für unsere Haushunde. Insofern sind Beratung und Betreuung rund um den Senior-Patienten täglich gefragt.
Von Felicitas Behr
Ab wann ist denn nun das vierbeinige Familienmitglied alt? Während der Halter eines Yorkshire Terriers irritiert guckt, wenn man den elf Jahre alten Hund als „Senior“ bezeichnet, wird der Besitzer eines gleichalten Neufundländers auf diese Aussage ganz anderes reagieren. Denn bei Hunden hängen Größe und Lebenserwartung eng zusammen. Als Senior gilt, wer sich im letzten Viertel seiner erwarteten Lebensdauer befindet. Individuen kleinwüchsiger Rassen werden nach dieser Rechnung ab ca. zehn bis zwölf Jahren als Senior bezeichnet, Vertreter von Riesenrassen können ab etwa sieben Jahren dieser Altersstufe zugerechnet werden. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, mit den geriatrischen Check-ups – je nach Gewichtsklasse – in unterschiedlichem Alter zu beginnen.
Alter ist keine Krankheit
Um es gleich vorweg zu nehmen: Altern an sich ist keine Krankheit im klassischen Sinne. Mit den Jahren lassen Körperfunktionen nach, Muskelmasse schwindet, Sinnesleistungen sind nicht mehr so scharf, das Immunsystem arbeitet weniger gut und degenerative Prozesse schränken Organfunktionen – inklusive der Leistung des Gehirns – ein. Das Ergebnis ist, dass alte Hunde körperlich weniger leistungsfähig sind sowie langsamer denken und reagieren. Kommen organische Erkrankungen hinzu, können sich diese ebenfalls negativ auf Reaktion und Verhalten auswirken.
Auf Veränderungen achten!
Ziel sollte sein, einen möglichst guten gesundheitlichen Status des Seniors zu erhalten. Dafür ist entscheidend, dass Hundehalter ihr Tier sorgfältig sowohl in Bezug auf körperliche Auffälligkeiten als auch auf Veränderungen im Verhalten hin beobachten. Gerade wenn man dauerhaft mit einem Lebewesen zusammen ist, werden schleichende Änderungen nicht sofort erkannt. Hier gilt es, die Tierhalter rechtzeitig zu schulen, denn es ist sinnvoll, diesen Dingen nachzugehen und sie nicht mit der Bemerkung „es ist halt ein alter Hund“ abzutun.
Einerseits können diese Veränderungen Anzeichen von ernstzunehmenden gesundheitlichen oder mentalen Problemen sein, die so frühzeitig diagnostiziert und (sofern möglich) behandelt werden. Auf der anderen Seite beeinflusst gerade körperliches Unwohlsein Verhalten und Emotionen immer negativ. Regelmäßige Kontrollen dienen also auch direkt dem Tierwohl. Senioren sollten, wenn keine anderen Gründe für den Besuch in der Tierarztpraxis vorliegen, zweimal pro Jahr zum Check-up vorgestellt werden. Hierbei ist neben einer sorgfältigen allgemeinen Untersuchung auch eine Blutuntersuchung mit Blutbild und Organprofil sinnvoll. Darüber hinaus sind die Abklärung von Schmerzen jedweder Ursache und die Beurteilung der kognitiven Fähigkeiten unumgänglich.
Top Job:
Geriatrischer Check-up
1–2-mal pro Jahr als Minimum
Blutbild, Organprofil
Schmerzen?
kognitive Fähigkeiten?
Veränderungen von Gewohnheiten?
Kognitive Fähigkeiten
Zu den kognitiven Fähigkeiten gehören im weitesten Sinn Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Erinnerung, Lernen, Orientierung und Problemlösung. Kognition wird umgangssprachlich oft mit „Denken“ gleichgesetzt. Wichtig ist aber auch zu wissen, dass durch die Wahrnehmung das Gefühlsleben der Tiere gesteuert wird. Kognition und Emotionen sind also ebenfalls eng miteinander verbunden.
Das Gespräch mit dem Halter
Eine Möglichkeit, Informationen über ältere Pateinten zu erhalten, ist das Abfragen verschiedener Parameter mittels Fragebogen, bevor Hund und Halter ins Sprechzimmer kommen. Hierbei können sowohl Informationen zu typischen altersbedingten Erkrankungen als auch über etwaige Verhaltensauffälligkeiten gesammelt werden (siehe Download im Anhang).
Im weiteren Gespräch mit dem Halter und im Rahmen der Untersuchung sollte individuellen Fragestellungen weiter nachgegangen werden. Wichtig ist: Treten Veränderungen im Verhalten spontan auf oder verschlechtern sich eingeschliffene Verhaltensweisen plötzlich drastisch, liegt dieser Entwicklung fast immer eine organische Ursache zugrunde, die schnellstmöglich aufzudecken ist. Schwieriger wird es, wenn Hunde schon immer z. B. in bestimmten Situationen ängstlich oder aggressiv reagiert haben, dieses Verhalten sich aber nach und nach verschlechtert hat. Dann gilt es herauszufinden, ob dies durch nun hinzugekommene körperliche Probleme potenziert wird oder wirklich nur als eine Folge von Lern- und Erfahrungswerten zu sehen ist.
Der seniorengerechte Alltag
Ein weiterer wichtiger Baustein im Umgang mit Senioren sind veränderte Bedingungen in der Haltung und Pflege. Der veränderten Leistungsfähigkeit des Hundes muss hier Rechnung getragen werden. Das bedeutet aber auf keinen Fall, dass Oldies nur geschont und gar nicht mehr gefordert bzw. gefördert werden sollen – ganz im Gegenteil. Sicherlich müssen körperliche Aktivitäten in der Regel reduziert bzw. verändert werden. Spaziergänge können kürzer und dafür häufiger am Tag stattfinden. Dabei müssen auch mögliche Unfallgefahren der Senioren im Auge behalten werden. Sprünge, Kletteraktionen oder Rennspiele mit engen Wendungen klappen gegebenenfalls nicht mehr so gut. Da Hunde diese Gefahren selber nicht immer realistisch abschätzen, ist hier das vorausschauende Handeln des Halters gefragt, diese möglichen Gefahren durch Management wie Rückruf, Leine o. ä. zu umschiffen. Schwierig wird es auch, wenn Hunde aufgrund mangelnder Hörfähigkeit besonders das Rückrufsignal nicht mehr zuverlässig umsetzten. Im Vorteil sind hier Hundehalter, die ihrem Hund schon früh beigebracht haben, dass sich ein häufiges Orientieren zum Halter hin lohnt, denn nur so ist es möglich, ein Herankommen des Hundes per Sichtzeichen einzuleiten.
Manche anderen altersbedingten körperlichen Einschränkungen können mit Hilfsmitteln aufgefangen werden. Hierzu zählt z. B. der Einsatz von Rampen oder Stufen, um den Einstig ins Auto zu erleichtern. Eine Zusammenstellung empfehlenswerter Hilfsmittel finden Sie als Download im Anhang.
Auch hier sind die Hund-Halter-Teams im Vorteil, die den Umgang mit diesen Hilfen schon rechtzeitig, d. h. als der Hund noch keine Einschränkungen aufwies, stressfrei und kleinschrittig geübt und dieses Können über die Zeit aufrecht erhalten haben.
Neben der körperlichen Auslastung sollten auch die geistigen Fähigkeiten nicht zu kurz kommen. Denn auch beim Hund halten Lernen, Erkundungsverhalten und soziale Interaktion geistig fit. Eine von Hunden in jedem Alter geschätzte Aufgabe ist die „Nasenarbeit“. Hierzu gehört auch das Suchen von Futter. Natürlich muss auch hier der Schwierigkeitsgrad den aktuellen Fähigkeiten – nicht zuletzt in Bezug auf die noch bestehende Riechleistung – angepasst werden.
Auch wenn die Lernfähigkeit im Alter herabgesetzt ist, sollte auf belohnungsbasierte Übungen und Spiel nicht verzichtet werden. Kürzere Trainingseinheiten, kleinere Lernschritte und viele Wiederholungen führen den Senior zum Ziel.
Die seniorengerechte Ernährung
Als weiterer Baustein in der Pflege eines alten Hundes kommt der seniorengerechten Ernährung eine entscheidende Bedeutung zu. An erster Stelle sind in der Diätetik für Senioren eventuell bereits diagnostizierte Krankheiten, wie z. B. Nieren-, Leber-, oder Magen-Darm-Erkrankungen zu berücksichtigen. Aber auch Übergewicht oder degenerative Gelenkerkrankungen müssen mit in die Rationsgestaltung aufgenommen werden. An zweiter Stelle gilt es dann, auch Stoffe, die die Alterung von Nervenzellen verlangsamen und die Weiterleitung von Signalen im Gehirn verbessern, der Nahrung zuzufügen. Dazu zählen im Allgemeinen Radikalfänger und Antioxidantien(z. B. Vitamin C und Vitamin E), Omega-3-Fettsäuren, L-Carnitin, Phosphatidylserin und S-Adenosyl-Methionin. Diese Inhaltsstoffe können die entsprechenden medizinischen Diäten ergänzen.
Müssen keine speziellen individuellen Bedürfnisse an die Fütterung beachtet werden, gibt es auch für Senioren Alleinfuttermittel, die in unterschiedlichem Ausmaß auf die Prophylaxe der Alterungsprozesse im Gehirn ausgerichtet sind.
Fazit
Altern ist unvermeidlich. Aber auch mit einigen Jahren auf dem Buckel sollen Hunde so gut es geht versorgt werden. Das heißt zum einen, dass regelmäßige Untersuchungen stattfinden müssen, um alle etwaigen Probleme frühzeitig aufzudecken und so schnell und effektiv wie möglich behandeln zu können. Zum jeweiligen Untersuchungsspektrum gehört hier auch der mentale Zustand des Patienten. Zum anderen ist es sinnvoll, diverse Maßnahmen zur Unterstützung, wie beispielsweise den Umgang mit Hilfsmitteln, rechtzeitig zu üben, damit sie bei Bedarf direkt einsatzfähig sind. Wird dies umgesetzt, gehört der Hund auch im Alter nicht unbedingt zum alten Eisen.
Über die Autorin
Felicitas Behr ist Tierärztin mit dem Arbeitsschwerpunkt Verhaltenstherapie in der Lupologic GmbH in Düsseldorf.
Kostenfreier Download
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