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Verhalten 15. September 2019

Helikopter-Halter

Ähnlich wie bei Helikopter-Eltern gibt es auch Heli-Halter: Welchen Einfluss hat die Persönlichkeit des Halters auf seine Katze und deren Wohlbefinden?

Ein Junge kuschelt mit einer grauen Tigerkatze
Ein Junge kuschelt mit einer grauen Tigerkatze
Inhaltsverzeichnis

Von Lisa-Marie Petersen

Katzen können sich ihre Besitzer in der Regel nicht aussuchen. Ob sie raus dürfen oder nicht, welches und wie viel Futter sie bekommen, ob ihnen Spielzeuge und Möglichkeiten zum Stressabbau gegeben werden, hängt von ihren Besitzern und deren Tierkenntnis und Persönlichkeit ab.

Dass die Persönlichkeit von Menschen Beziehungen formt und das Zusammenleben mit bestimmten Persönlichkeitstypen wiederum die Entwicklung, das Verhalten und Wohlbefinden von Individuen beeinflusst, weiß man aus verhaltenspsychologischen Studien, deren Fokus meist auf der Untersuchung von Eltern-Kind-Beziehungen lag. Auch bei Haustieren unterscheiden sich Halterpersönlichkeiten stark, wie Tierärzte wissen. Vom überfürsorglichen Helikopterfrauchen bis zur entspannten Katzenmama und dem nachlässigen Halter ist alles dabei.

Nur: Wirkt sich die Persönlichkeit des Halters auch auf die Krankheitshäufigkeit und das Wohlbefinden der Tiere aus? Sind ängstliche Eltern auch ängstliche Katzenhalter? Wissenschaftliche Untersuchungen fehlten bisher.

Um die Auswirkungen der Halterpersönlichkeit auf die Haltung und das Wohlbefinden von Katzen zu untersuchen und eventuelle Parallelen zu menschlichen Elternpersönlichkeiten zu ziehen, hat ein englisches Forscherteam eine Besitzerbefragung gestartet und ausgewertet.

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Der Fragebogen

Die Untersuchung erfolgte anhand einer Online-Umfrage. Darin beantworteten Katzenhalter Fragen zur eigenen Persönlichkeit und der Rasse und Gesundheit, dem Verhalten sowie dem generellen Management (z. B. der Haltung) ihrer Tiere.


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Die Einschätzung der Besitzerpersönlichkeit erfolgte anhand des sog. Fünf-Faktoren-Modells, einem Persönlichkeitsmodell aus der Psychologie. Diesem zufolge existieren fünf Hauptdimensionen der Persönlichkeit, nach denen jeder Mensch innerhalb der folgenden Skalen eingeordnet werden kann:

  • Offenheit für Erfahrungen
    (Aufgeschlossenheit)

  • Gewissenhaftigkeit (Perfektionismus)

  • Extroversion (Geselligkeit)

  • Verträglichkeit (Rücksichtnahme, Kooperationsbereitschaft, Empathie)

  • Neurotizismus (emotionale Labilität und Verletzlichkeit)

Die Fragebögen wurden statistisch ausgewertet. Insgesamt nahmen über 3.000 Halter an der Umfrage teil.

Ergebnisse

Obwohl die Wissenschaftler keine sichere Aussage zur Kausalität der ermittelten statistischen Zusammenhänge treffen können, lieferte die Auswertung der Fragebögen viele interessante Anhaltspunkte. So zeigt sich, dass die Besitzerpersönlichkeit durchaus Auswirkungen darauf hat, wie Katzen gehalten werden und wie gut das Wohlbefinden der Tiere ist. Auch die Inzidenz von medizinischen und Verhaltensproblemen wird davon beeinflusst.

Hohe Neurotizismus-Scores der Halter – schlechtes Wohlbefinden der Katzen

Vor allem bei Haltern mit hohen Neurotizismus-Scores, also unsicheren und emotional labilen Persönlichkeitstypen, zeigten sich signifikante Zusammenhänge zu Faktoren, die das Management und Verhalten, aber auch die Gesundheit der Tiere betrafen: Neurotische Katzenbesitzer halten ihre Tiere bspw. häufiger in der Wohnung. Ebenso gaben neurotische Haltertypen häufiger medizinische und Verhaltensauffälligkeiten ihrer Tiere an. Ihnen fielen bei den Katzen häufiger aggressives und ängstliches Verhalten und Erkrankungen auf, die mit Stress assoziiert sind. Zusätzlich führten besonders viele der überbesorgten Halter an, dass ihre Katzen übergewichtig seien. Interessanterweise hielt dieser Persönlichkeitstyp seltener Rassekatzen.

Die Angaben (Wohnungshaltung, Stress, Aggression, Übergewicht) deuten laut Interpretation der Wissenschaftler auf ein schlechteres Wohlbefinden der Tiere hin. Zudem zeigen sie, dass der neurotische Persönlichkeitstyp auch in Bezug auf seine Tiere überbesorgt und ängstlich ist, ähnlich
wie solche Elterntypen in Bezug auf ihre Kinder.

Was versteht man unter Neurotizismus?

  • Neurotizismus (abgeleitet von Neurose) ist in der Psychologie eine der Hauptdimensionen der Persönlichkeit.

  • Menschen mit hohem Neurotizismuswert zeigen oft folgende Eigenschaften und Verhaltensweisen:

  • Neigung zu Nervosität, Reizbarkeit, Launenhaftigkeit

  • Neigung zu Unsicherheit und Verlegenheit

  • Klagen über Ärger und Ängste

  • Klagen über körperliche Schmerzen

  • Neigung zu Traurigkeit und Melancholie

  • sensibel für Stress

  • negative Affektlage

  • dauerhafte Unzufriedenheit

Die Helikopter-Hündin

Helikopter-Mutter, Helikopter-Frauchen, Helikopter-Hündin? Auch bei Hündinnen gibt es überfürsorgliche Exemplare. Eine US-amerikanische Studie hat gezeigt, dass besonders fürsorgliche Hundemamas besonders gestresst sind und sich dies auch auf den Nachwuchs überträgt. So schafften die Welpen der Helikopterhündinnen seltener die Ausbildung zum Blindenhund. Die Forscher mutmaßen, dass diese Tiere später selbst ängstlicher und schneller gestresst sind.

Über die Autorin

Als Tierärztin horcht Lisa-Marie Petersen gern am Ort des Geschehens nach: Was beschäftigt die Tiermedizin derzeit? Interessante Themen verarbeitet die Fachjournalistin dann in redaktionellen Beiträgen für Print- und Onlinemedien.

Hier geht es zur Originalpublikation.

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