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Durch die richtige Fütterung kann geschwächten Tumorpatienten Lebensenergie geschenkt werden.
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Durch die richtige Fütterung kann geschwächten Tumorpatienten Lebensenergie geschenkt werden.

Inhaltsverzeichnis

Ernährung

Nutritive Unterstützung von Tumorpatienten

Der Ernährung von Hunden und Katzen mit Tumorerkrankungen kommt eine besondere Bedeutung zu. Was gilt es hierbei zu beachten?

Von PD Dr. med. vet. Claudia Koch

Immer wieder werden Hunde und Katzen mit tumorösen Erkrankungen in der Praxis vorgestellt. Obwohl es auch benigne (gutartige) Veränderungen gibt, sind es häufig die malignen (bösartigen) Veränderungen, welche die Patienten körperlich in Mitleidenschaft ziehen. Je nach Art und Lokalisation können verschiedene Behandlungsmethoden eingesetzt werden. Sie dienen sowohl der Heilung, tragen zum Teil auch „nur“ zur Linderung oder Verbesserung der Lebensqualität bei.

An diesem Punkt kommt auch die Ernährung ins Spiel. Bei Erkrankungen wie Futtermittelallergien oder Diabetes mellitus kann ein direkter Einfluss der Ernährung auf das Krankheitsgeschehen beobachtet werden. Dies ist bei Tumorerkrankungen nicht möglich. Über die Ernährung kann man ausschließlich auf den Allgemeinzustand des Tieres Einfluss nehmen. So wird beispielsweise versucht, Anorexie (Appetitlosigkeit) und Kachexie (pathologischer Gewichtsverlust) vorzubeugen bzw. entgegenzuwirken.

Über- und Untergewicht erkennen

Ganz allgemein ist es immer empfehlenswert, den Ernährungszustand eines Tieres zu beurteilen und zu dokumentieren, z. B. mithilfe des Body Condition Score (BCS; siehe Abb. 1). Bei übergewichtigen Hunden mit Tumorerkrankungen wird dazu geraten, das Gewicht um 10–15 % zu reduzieren. Die Gewichtsreduktion beeinflusst einerseits die Lebensqualität positiv, andererseits können zusätzlich andere gesundheitliche Risiken minimiert werden. Häufig wird beobachtet, dass Hunde während der Tumortherapie an Gewicht zunehmen (siehe Abb. 2).

Untergewicht kommt eher bei Katzen vor (siehe Abb. 3). Hier sollte vor allem zwischen Anorexie und Kachexie unterschieden werden. Untergewichtige Tiere haben eine niedrigere Überlebenschance, wobei rund 90 % aller Katzen mit Tumordiagnose an Muskelabbau leiden. Dieser kann mit dem Muscle Condition Score (MCS, . Weblink am Ende des Beitrags) beurteilt werden.

Die nutritive Beurteilung beruht auf

  • der Bestimmung des Ernährungszustands,
  • der Beurteilung der freiwilligen Nahrungsaufnahme und
  • der Berücksichtigung aller klinischen Aspekte, wie z. B. der Tumorart, der angestrebten Therapie und Begleiterkrankungen.

Anorexie oder Kachexie?

Wie unterscheidet man nun aber Anorexie und Kachexie (siehe Tab. 1)? Bei Anorexie kommt es zum Abbau von Körperfett durch z. B. verminderte Energieaufnahme, die Skelettmuskelmasse bleibt erhalten. Bei der Kachexie nehmen sowohl das Körperfett als auch die Skelettmuskelmasse trotz gleichbleibender oder sogar gesteigerter Energiezufuhr ab. Verändert sich das Körpergewicht beispielsweise innerhalb von sechs Monaten ohne erkennbare Ursache (wie mangelnden Appetit) um 5 % nach unten, so besteht der Verdacht auf eine Kachexie. Neben der verminderten Lebensqualität und der verkürzten Überlebenszeit kann dies auch zu einer schlechteren Reaktion auf die Behandlung führen.

Klinisch drückt sich eine Kachexie eher subtil aus (siehe Tab. 2). In der ersten Phase sind Hyperlaktatämie (Erhöhung der Laktatkonzentration im Blut) und Hyperinsulinämie (erhöhter Insulinspiegel im Blut) nachweisbar, welche aufgrund fehlender klinischer Symptome oft übersehen wird. In der zweiten Phase fallen vor allem Anorexie und Lethargie (Zustand erhöhter Schläfrigkeit) auf. In der dritten Phase kommt es schließlich aufgrund mangelnder Nährstoffzufuhr zu einer allgemeinen Entkräftung und biochemischen Hinweisen auf eine negative Stickstoffbilanz: Der glykolytische Stoffwechsel (Zuckerabbau) wird intensiviert. Dabei kommt es zu einer Akkumulation von Pyruvat, welches zu Laktat umgewandelt wird. In der Leber wird Laktat dann zu Glukose umgewandelt. Durch das sogenannte Ubiquitin/Proteasom-System wird verstärkt auch körpereigenes Protein abgebaut.

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Effekte verschiedener Futterbestandteile

Während der Tumortherapie kann es zu verschiedenen Nebenwirkungen kommen wie

  • Übelkeit,
  • Erbrechen,
  • Diarrhoe,
  • Erschöpfung.

Wenn Muskelkraft, Lungenfunktion und das Immunsystem abbauen, verstärkt dies das Infektionsrisiko sowie das Risiko für Komplikationen bis hin zur Sepsis. Schlussendlich erhöht sich insgesamt das Sterberisiko. Gerade in der stationären Nachsorge verweigern Hunde und Katzen häufig die Nahrungsaufnahme. Nur rund jedes vierte Tier frisst von sich aus genügend, um den Energiebedarf zu decken. Hier greift die Ernährung, um sowohl Lebensqualität als auch Lebenserwartung positiv zu beeinflussen.

Kohlenhydrate

Betrachten wir die einzelnen Nährstoffgruppen. Kohlenhydrate werden auch in der Fachwelt kon­trovers diskutiert und viele Autoren verweisen auf die anaerobe (ohne Sauerstoff) Energiegewinnung der Tumorzellen. Tumorzellen scheinen ihre Energie vorwiegend über Glykolyse zu decken, wobei Laktat ausgeschieden wird. Dies steht im Unterschied zu normalen Zellen, welche das Endprodukt der Glykolyse dem Citratzyklus in den Mitochondrien zuführen. Andererseits benötigt der Organismus mehr Energie aus Fett und/oder Protein, wenn man Kohlenhydrate reduziert. Entschließt man sich für eine Low Carb-Diät (Fütterung mit wenig Kohlenhydraten), sollte möglichst in erster Linie auf Monosaccharide verzichtet werden.

Proteine

Manche Tumoren können Protein als Energiequelle nutzen. Die meisten Studien über einzelne Aminosäuren beziehen sich auf den Menschen oder auf Labortiere, man findet jedoch Hinweise in der Literatur, dass ein Gehalt der Aminosäure Arginin von 2,5 % in der Trockensubstanz (TS) positive Effekte haben kann. Von den Aminosäuren Glutamin und Leucin wird vermutet, dass sie das Tumorwachstum verstärken können. Andererseits stabilisiert Glutamin den Gewichtsverlust und verbessert den Proteinstoffwechsel. Leucin induziert die Proteinsynthese im Muskel.

Fette

Studien zu Fett beziehen sich in der Regel auf Omega-3-Fettsäuren und hier gezielt auf Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA). Das Verhältnis von Omega-6-Fettsäuren zu Omega-3-Fettsäuren sollte ca. 10 : 1 bis 5 : 1 betragen. Wichtig ist die Quelle von Omega-3-Fettsäuren, da Hunde und Katzen die Vorstufen nicht umwandeln können und auf die Zufuhr von EPA angewiesen sind. Die positiven Effekte von Omega-3-Fettsäuren sind vielfältig. So wird von höheren Überlebenszeiten, einer verringerten Tumorwachstumsrate durch ein Herabsetzen des Arachidonsäure-Stoffwechsels und der Verbesserung der Wirksamkeit verschiedener Chemotherapeutika berichtet. Der Gehalt an Omega-3-Fettsäuren sollte über 5 % in der TS liegen.

Fasergehalt

Unterstützend für die Darmgesundheit sollte auch auf den Fasergehalt geachtet werden. Es empfiehlt sich ein Rohfasergehalt von über 2,5 % in der Trockensubstanz. Die richtige Mischung aus löslichen und unlöslichen Fasern liefert den Darmzellen nicht nur Nährstoffe, sondern kann auch überschüssiges Wasser binden.

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Vitamine und Mineralstoffe

Der Einsatz von Vitaminen wird diskutiert, vor allem im Hinblick auf ihre antioxidative Wirkung, indem freie Radikale vermindert werden. Was bei gesunden Zellen erwünscht ist, wird bei Tumorzellen gerade zu vermeiden versucht. Antioxidanzien sollten zumindest während Chemotherapie und Bestrahlung nicht eingesetzt werden. Betrachtet man die Mineralstoffe, so sind gerade Zink und Selen wichtig: Selen aufgrund seiner antikanzerogenen (Entstehung von Tumoren verhindern oder hinauszögern) Eigenschaften, Zink aufgrund der positiven Effekte auf das Immunsystem und die Proteinsynthese.

Die Zusammensetzung zählt

Vor allem beim kachektischen Hund muss auf eine Ration mit hoher Energiedichte und einem hohen Protein-Kalorien-Verhältnis geachtet werden. In der Regel wird dies über einen hohen Fettgehalt geregelt. Fett steigert die Energiedichte der Ration. Zusätzlich muss auf hochverdauliche Inhaltsstoffe geachtet werden. Beim kaninen Tumorpatienten wird zusätzlich empfohlen, auf den Gehalt an Omega-3-Fettsäuren und eine proteinreiche Nahrung aufgrund des Muskelschwunds Wert zu legen. Ein Augenmerk sollte auf Arginin, Glutamin sowie verzweigtkettige Aminosäuren wie Leucin, Isoleucin und Valin gerichtet werden. Beispiele für geeignetes Futter für kanine Kachexiepatienten sind unter anderem von Purina PPVD Convalescence, von Royal Canin Recovery, von Vet-Concept Dog Revital und Cat Revital oder Hills a/d sowie weitere hochkalorische Produkte.

Eine Übersicht der empfohlenen Richtwerte bei Futtermitteln für Tumorpatienten zeigt . Tabelle 3. Hier wäre beispielsweise beim Hund das Gastrointestinal Feuchtfutter von Royal Canin eine Option. Bei der Katze empfehlen sich das Gastrointestinal Feucht- und Trockenfutter der Purina PPVD-Linie, von Royal Canin Recovery in der Dose und die Frischebeutel Sensitivity Control und Gastrointestinal und von Hill’s PRESCRIPTIONS DIET i/d. Eine weitere Option ist außerdem eine individuelle Rationszusammenstellung, wie sie beispielsweise von Napfcheck angeboten wird.

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Fütterungsmanagement

Solange der Patient von allein frisst, sollte dies zwingend genutzt werden. So wird eine Zottenatrophie (Schwund der Dünndarmzotten) verhindert und die Darmschranke bleibt erhalten. Außerdem wird das Risiko einer Sepsis gesenkt. Um den Appetit anzuregen, kann man die Nahrung erwärmen. Generell gilt: lieber mehrere kleine Portionen verfüttern als wenige große. Darüber hinaus kann man den Appetit mit Zusätzen wie etwas Thunfischsaft, Bierhefeflocken aus dem BARF-Bedarf oder geschmackvollen probiotischen Ergänzungsfuttermitteln anregen, die man über das Futter gibt. Selbstverständlich gibt es auch appetitanregende Medikamente, welche erst verabreicht werden sollten, wenn andere Tricks nicht helfen.

Bei Patienten, die unfähig zur Nahrungsaufnahme sind, sollte immer eine individuelle Ernährungsroute festgelegt werden. Funktioniert der Magen-Darm-Trakt nicht, so ist eine parenterale (unter Umgehung des Verdauungstrakts) Ernährung angezeigt. Bei einem funktionierenden Magen-Darm-Trakt sollte eine Sonde gelegt werden. Abhängig von der Dauer der Ernährungsunterstützung sollte eine Nasoösophagealsonde (bei kurzzeitiger künstlicher Ernährung) oder eine Gastrostomiesonde (bei langzeitiger künstlicher Ernährung) erwogen werden.

Das Wichtigste zusammengefasst

Muscle Condition Score: svg.to/MCS

Über die Autorin

Claudia Koch hat an der FU Berlin studiert und promoviert, an der Universität Hohenheim habilitiert und ist als Scientific Vet Advisor bei Purina Petcare Deutschland GmbH tätig.

Kontakt zur Autorin: claudia.koch@purina.nestle.com

Tab. 1: Unterschied zwischen Anorexie und Kachexie

Tab. 2: Klinische Anzeichen von Kachexie und Anorexie

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