Keine Frage: Mit der schnellen Impfung großer Bestände kennt sich keiner so gut aus, wie die Tierärzte. Dennoch scheint es viele zu überraschen, dass Veterinärmediziner jetzt eventuell Teil der Impfkampagne werden sollen. Während beispielsweise in den USA Tierärzte bereits seit März 2021 die Humanmedizin bei den Impfungen gegen SARS-CoV-2 unterstützen, traf hierzulande ein entsprechendes Angebot des Bundesverbandes Praktizierender Tierärzte (bpt) eher auf Skepsis. Ärzteverbände sprachen sich deutlich gegen eine Beteiligung von Apothekern oder Tierärzteschaft an den Impfungen aus. Ähnliche Reaktionen hatte es zuvor ja auch gegeben, als Veterinärlabore anboten, SARS-CoV-2-PCRs durchzuführen.
Allerdings war Anfang des Jahres tatsächlich eher die Impfstoff-Knappheit das Problem der Impfkampagne, nicht ein Mangel an Ärzten. Im Herbst 2021 ist die Lage eine andere: Impfzentren haben vielerorts geschlossen, Hausarztpraxen sind überlastet und vor den mobilen Impfstationen bilden sich lange Schlangen wartender Menschen.
Die Impflücke muss schnell geschlossen werden
Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts und Veterinärmediziner, sprach in einer emotionalen Rede während einer Online-Konferenz mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer deutliche Worte: „Ich sag das jetzt mal ganz klar: Es muss jetzt Schluss sein, dass irgendwer irgendwelchen anderen Berufsgruppen aufgrund von irgendwelchen Umständen nicht gestattet, zu impfen. Wir sind in einer Notlage". Er betonte: "Jeder Mann und Maus, der impfen kann, soll jetzt gefälligst impfen. Sonst kriegen wir diese Krise nicht in den Griff."
Seitdem sprachen sich immer mehr Stimmen in der Politik für zusätzliche Impfungen außerhalb der Arztpraxen aus. Nach einer Corona-Beratungsrunde am 30. November berichteten die Medien: Auch der zukünftige Bundeskanzler Olaf Scholz möchte, dass u.a. Apotheker, Zahnärzte und Tierärzte gegen SARS-CoV-2 impfen. Es scheint also durchaus möglich, dass Tierärzte diese Impfungen demnächst anbieten können.
Ausnahmegenehmigung und Haftpflicht-Frage
Der Präsident der Bundestierärztekammer, Uwe Tiedemann, bestätigte der Neuen Osnabrücker Zeitung Ende November 2021 auf Anfrage, dass die Tierärzteschaft bereit wäre, die Kollegen aus der Humanmedizin zu unterstützen. Damit Tiermediziner sich an der Impfkampagne beteiligen könnten, wäre jedoch eine Ausnahmegenehmigung nötig. Momentan ist es Veterinären verboten, Menschen eine Injektion zu verabreichen. Wichtig wäre auch, die Haftung zu klären; schließlich unterscheiden sich die Haftpflichtversicherungen für Veterinärmediziner von denen der humanmedizinischen Kollegen. Wenn diese Fragen geklärt sind, scheinen viele Kollegen und Kolleginnen bereit, zur Spritze zu greifen, um die Impflücke zu schließen.
Update 09.12.2021: Der bpt fordert Rechtssicherheit
bpt-Präsident Siegfried Moder bestätigte Anfang Dezember, dass die Tierärzteschaft bereit wäre, im Rahmen der Möglichkeiten die Impfkampagne zu unterstützen. Allerdings zeigte er sich verwundert, dass bis dato niemand konkret auf die Tierärzte zugekommen sei. Zahlreiche Fragen zu Haftung, Bestellung von Impfstoffen, den Voraussetzungen für die Räumlichkeiten bis hin zur Vergütung seien noch zu klären. Eine Mithilfe in Impfzentren oder mobilen Teams ist für Moder am ehesten vorstellbar.Parallel sorgte in den sozialen Medien das Schreiben einer Tierärztekammer für Empörung: Tierärzte wurden aufgefordert, sich zur Mithilfe beim Impfen zu melden – allerdings ehrenamtlich und ohne Vergütung. Für viele Tierärztinnen und Tierärzte ein Zeichen geringer Wertschätzung – schließlich werden Humanmediziner für das Impfen entlohnt. (VM)
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