10. September 2023
Parvovirose beim Hundewelpen
Intensivmedizinische Therapie und konsequente Hygienemaßnahmen sind das A und O dieser hochansteckenden Durchfallerkrankung.
Von Denise S. Riggers und Prof. Dr. med. vet. Romy M. Heilmann
Ein ungeimpfter Welpe mit blutigem Durchfall (hämorrhagische Diarrhoe) und schlechtem Allgemeinbefinden wird angekündigt – da läuten beim Praxisteam die Alarmglocken und alle machen sich auf das Schlimmste gefasst. Denn wahrscheinlich ist die Ursache eine Parvovirus-Enteritis, auch Parvovirose genannt.
Unbehandelt kann diese Erkrankung tödlich enden und bei unzureichenden Hygienemaßnahmen ist schnell ein gesamter Wurf oder sogar die komplette Station in der Praxis betroffen. Deshalb ist es umso wichtiger, eine Parvovirus-Infektion schnell zu erkennen, gezielt zu behandeln und im besten Fall von Anfang an richtig vorzubeugen.
Allgemeines zur Parvovirose
Ausgelöst wird die Parvovirose durch das canine Parvovirus Typ 2 (CPV-2), ein unbehülltes DNA-Virus mit hoher Umweltresistenz. Übertragen wird es fäkal-oral, es wird also hauptsächlich über den Kot ausgeschieden und dann über direkten Kontakt mit beispielsweise kontaminiertem Futter, anderen Tieren, Spielzeugen, Kleidung oder beim Beschnuppern des Stethoskops oder des Behandlungstisches aufgenommen. Das Virus ist hochansteckend und hat eine Inkubationszeit von sieben bis 14 Tagen. Nach der Aufnahme verbreitet es sich über das Lymphsystem, gelangt in Gewebe mit hoher Zellteilungsrate (wie den Darmkrypten oder dem Knochenmark) und vermehrt sich dort.
Prinzipiell kann sich jeder Hund mit dem Parvovirus anstecken, doch einige Hunderassen wie Rottweiler, Deutscher Schäferhund, Dobermann, Husky oder Labrador Retriever sind besonders anfällig.
Top Job:
Typische klinische Anzeichen einer Parvovirose sind:
Die Schwere der Symptome hängt sehr vom Alter des Welpen zum Zeitpunkt der Infektion ab. Welpen bis zu zwölf Wochen sind in der Regel besonders schwer betroffen (siehe Abb. 1). Ältere Welpen und erwachsene Hunde zeigen dagegen einen milderen oder sogar symptomfreien Krankheitsverlauf.
Diagnose
Typischerweise sind die meisten Parvovirose-Patienten vorberichtlich ungeimpft oder weisen einen unbekannten Impfstatus auf.
Charakteristisch im Blutbild ist eine hochgradige Verminderung der weißen Blutkörperchen (Leukopenie), insbesondere der neutrophilen Granulozyten (Neutropenie), teilweise zusammen mit einer Blutarmut (Anämie) und erniedrigten Blutplättchen (Thrombozytopenie). Die Befunde der Blutchemie sind eher unspezifisch. Dazu zählen z. B. Hypalbuminämie (niedriger Albuminwert), Hypoglykämie (niedrige Blutglukose) und Azotämie (erhöhter Gehalt an harnpflichtigen Stoffen im Blut). Wie bei jedem schwachen Welpen sollte möglichst bald der Blutzuckerspiegel bestimmt werden, da Jungtiere aufgrund fehlender Energiereserven zur Unterzuckerung neigen (siehe Abb. 1). Dafür empfiehlt sich ein patientennaher Schnelltest (Glukometer).
Der tatsächliche Nachweis der Parvovirus-Infektion erfolgt unter Praxisbedingungen häufig anhand eines ELISA-Schnelltests (siehe Abb. 2), in dem in einer Probe aus etwas Kot und Darmschleimhaut das Parvovirus-Antigen (Erreger) nachgewiesen werden kann. Dieser Test sollte sicherheitshalber bei jedem ungeimpften Welpen mit Durchfall durchgeführt werden. Ein falsch positives Ergebnis im Schnelltest ist drei bis zehn Tage nach einer Impfung gegen CPV-2 mit einem modifizierten Lebendimpfstoff möglich, da der Test nicht zwischen Infektion und Impfung unterscheiden kann. Auch ein falsch negatives Resultat in der Inkubationszeit ist für wenige Tage nach einer Infektion möglich. Um in diesem Fall das Ergebnis (Parvovirus-Infektion) zu bestätigen, kann eine Kotprobe eingeschickt und mithilfe eines PCR(Polymerase-Kettenreaktion)-Tests im Labor untersucht werden. Die PCR-Analyse ist sensitiver und kann auch zwischen Infektion und Impfstamm unterscheiden.
Bei Verdacht auf Parvovirose sollte jeder Welpe so lange wie ein Parvovirose-Fall behandelt werden, bis das Gegenteil eindeutig bewiesen ist.
Jeglicher Kontakt mit Parvovirus-Patienten darf nur mit Schutzkleidung stattfinden (siehe Abb. 3). Dazu zählen ein gesonderter Überziehkittel, der nur für den jeweiligen Patienten selbst genutzt wird, Einweghandschuhe und Überziehschuhe. Eine abschließende gründliche Desinfektion mit geeigneten Desinfektionsmitteln ist unbedingt notwendig.
Richtiger Umgang mit Parvovirose-Welpen
Das Parvovirus ist extrem ansteckend und widerstandsfähig. Darum gilt:
- direkter Welpenkontakt nur mit Handschuhen und Schutzkleidung (siehe Abb. 3)
- Unterbringung des Welpen auf gesonderter Infektionsstation
- Patient darf keinen Kontakt zu anderen Tieren haben
- Untersuchungsmaterialien entsorgen oder desinfizieren
- nur geeignete Desinfektionsmittel (z. B. Natriumhypochlorit) verwenden
Therapie
Die Therapie der Parvovirose erfolgt in erster Linie symptomatisch. Um erkrankte Welpen ausreichend zu therapieren und zu überwachen, sollten sie immer stationär aufgenommen werden. Die einzige Ausnahme können ältere Welpen oder erwachsene Hunde mit mildem Krankheitsverlauf bilden – vorausgesetzt, die Tierhalter können zu Hause eine strenge Überwachung und Isolation sowie die Behandlung des Tieres gewährleisten.
Infusion
Die Welpen sind meist durch den hochgradigen Durchfall stark dehydriert und brauchen deshalb eine Infusionstherapie, um ihre Flüssigkeitsverluste auszugleichen. Der Dehydratationsgrad kann anhand von klinischen Parametern bestimmt werden (siehe Tab. 1).
Die Welpen benötigen zwar Flüssigkeit, dürfen aber nicht überinfundiert werden (siehe Tab. 2). Eine zu schnelle Infusionsrate oder zu hohe Infusionsmenge kann zu Herzproblemen (insbesondere bei Kalium- oder Volumenüberladung) oder anderen Komplikationen infolge zu schneller Elektrolytverschiebungen (z. B. Demyelinisierung [Zerstörung der Myelinscheiden] der Nervenfasern bei zu schneller Natriumverschiebung) führen (siehe „Merke!“ unten. Zudem kann eine bestehende Hypalbuminämie noch verstärkt werden und Komplikationen nach sich ziehen (z. B. Flüssigkeitsansammlungen wie Ödeme oder Aszites).
Merke!
Bei der Behandlung einer Hypokaliämie mit Kalziumchlorid über die Infusionslösung darf der Wert von 0,5 mmol/kg/Stunde nicht überschritten werden. Zudem muss die Herzfrequenz des Patienten stündlich überwacht werden.
Kontrolle der Blutwerte
Um möglichst schnell auf Änderungen des klinischen Zustands eingehen zu können, ist eine gründliche Überwachung des Patienten notwendig. Dazu zählen regelmäßige klinische Untersuchungen und mindestens einmal am Tag die Kontrolle der Blutwerte. Besonders relevante Parameter sind dabei:
Bei einer starken Anämie kann eine Bluttransfusion (Vollblut) nötig werden.
Medikamentöse Behandlung
Bei Welpen mit Vomitus (Erbrechen) kann ein Antiemetikum (Mittel gegen Übelkeit und Erbrechen) wie Maropitant (zugelassen ab der achten Lebenswoche) helfen. Mitunter kommt auch ein Prokinetikum (Mittel zur Anregung der Magen-Darm-Tätigkeit) wie Metoclopramid zum Einsatz, wenn die Magen-Darm-Motilität gestört ist (z. B. Magenentleerungsstörung). Bei Anzeichen einer Blutvergiftung (Sepsis) wie Fieber oder eine stark verminderte Zahl an weißen Blutzellen werden auch Antibiotika in der Therapie eingesetzt.
Fütterungsmanagement
Ein weiterer essenzieller Bestandteil der Therapie ist die Ernährung. Denn nur wer frisst, kann gesund werden.
Leider wird nach wie vor mitunter der veraltete Grundsatz „bei Durchfall erst mal nüchtern lassen“ angewandt – und damit die Situation des ohnehin schon kranken Welpen weiter verschlimmert. Denn bei Jungtieren, die noch keine eigenen Energiereserven gespeichert haben, kommt es ohne regelmäßige Futteraufnahme sehr schnell zur Hypoglykämie. Außerdem braucht der Magen-Darm-Trakt zu seiner Regeneration dringend wichtige Nährstoffe. Deshalb dürfen Welpen niemals nüchtern gelassen werden!
Ganz im Gegenteil: Gerade Parvovirose-Welpen benötigen über den Tag verteilt viele kleine Portionen von leichtverdaulichem, energiereichem Futter. Nur so können sich die Darmzotten regenerieren. Dem Welpen muss genügend Energie zur Verfügung gestellt werden, um gesund zu werden. Aus diesen Gründen sollte er möglichst bald mit Nahrung versorgt werden. Am besten ist dabei ein Angebot von mehreren kleinen Futterportionen über den Tag verteilt.
Solange der Welpe Appetit hat, sollte er selbstständig ein schmackhaftes, leichtverdauliches Diätfutter oder Rekonvaleszenznahrung zu sich nehmen (siehe Abb. 4). Häufig hilft es, das Futter kurz zu erwärmen (maximal auf Körpertemperatur) und die Futteraufnahme mit viel Lob und positiver Bestärkung zu belohnen.
Möchte der Welpe nicht mehr selbstständig fressen, muss er zugefüttert werden: entweder in Form von flüssiger Nahrung, die mit einer Spritze ohne Kanüle langsam direkt ins Maul eingegeben wird (siehe Abb. 5), oder mithilfe einer Sondenfütterung (z. B. Nasoösophagealsonde oder Ösophagostomiesonde). Bei der assistierten Fütterung direkt ins Maul, dem „Päppeln“, ist es wichtig, langsam und behutsam vorzugehen. Das Tier muss unbedingt zwischen den Gaben von Futterportionen problemlos abschlucken können. Ansonsten besteht ein hohes Risiko für eine Aspirationspneumonie (Lungenentzündung durch eingeatmetes Fremdmaterial), wenn Futter versehentlich in die Atemwege gelangt. Wird eine Sondenernährung nötig, sollte vor jeder Fütterung der richtige Sitz der Sonde überprüft und besonders auf Hygiene geachtet werden.
Damit der Welpe nicht das Interesse an der selbstständigen Futteraufnahme verliert, sollten zusätzlich schmackhaftes, leicht verdauliches und energiereiches Futter angeboten werden und maximal 80 % des Tagesbedarfs „assistiert gefüttert“ werden (eine ausführliche Tabelle zur Berechnung der zugefütterten Futtermenge finden Sie hier.
Das Ziel ist, den Welpen möglichst frühzeitig wieder zur selbstständigen Futteraufnahme zu motivieren und die Zeit bis dahin so gut wie möglich mit assistierter Fütterung zu überbrücken.
Prognose
Die Heilungschancen erkrankter Welpen hängen im Wesentlichen von zwei Faktoren ab:
1. vom Schweregrad der Erkrankung und dem Alter bei Infektion
2. von konsequenter Therapie und Überwachung
Je früher die Erkrankung erkannt und behandelt und je engmaschiger der kranke Welpe überwacht wird, desto besser stehen seine Chancen auf Heilung. Denn ohne Behandlung enden 50 bis 80 % der Fälle tödlich.
Hat ein Welpe die Erkrankung überstanden, ist er für kurze Zeit gegen das CPV-2-Virus immun und sollte danach geimpft werden. Dennoch gilt, dass nach einer überwundenen Parvovirus-Infektion im frühen Lebensalter ein erhöhtes Risiko dafür besteht, chronische Magen-Darm-Probleme zu entwickeln.
Prophylaxe
Die beste Vorsorge gegen eine Parvovirus-Erkrankung besteht in gründlicher Hygiene und der Vorbeugung durch Impfung (ab der vierten Lebenswoche möglich; weiter unten). Die Impfung gegen das Parvovirose-Virus gehört zu den sogenannten Core-Impfungen (Impfungen gegen Krankheiten, gegen die jedes Tier zu jeder Zeit geschützt sein sollte).
Nach einer erfolgreichen Grundimmunisierung ist eine Auffrischungsimpfung alle drei Jahre nötig. Auch wenn eine Impfung den zuverlässigsten Schutz vor einer Parvovirose bietet, kann es dennoch zu Impfdurchbrüchen (einer Erkrankung trotz Impfung) kommen.
Vor der Geburt der Welpen sollten ebenfalls prophylaktische Maßnahmen getroffen werden. Bei tragenden Hündinnen mit unzureichendem Impfschutz ist eine Impfung auch während der Trächtigkeit möglich. Dadurch sind die Welpen bestmöglich vor dieser oft tödlichen Erkrankung geschützt.
Es muss nicht immer Parvovirose sein
Durchfall selbst ist keine eigene Erkrankung, sondern ein Symptom. Bei jedem Welpen mit Durchfall sollte daher nach der tatsächlichen Ursache für seinen Durchfall gesucht werden. Grundlegend kann ein Welpe an fast allen Erkrankungen leiden, die auch bei einem erwachsenen Hund für Durchfall sorgen. Einige Erkrankungen sind beim Jungtier aber wahrscheinlicher als andere. Sehr wichtig für die Diagnosestellung ist eine ausführliche Anamnese. Es sollte immer versucht werden, möglichst viele Informationen über den Patienten in Erfahrung zu bringen (Checkliste für Durchfallpatienten). Einen Überblick über häufige Ursachen von Durchfall zeigt siehe Tabelle 3.
Wichtige Tipps zur Sondenfütterung
- Vor jeder Fütterung 1–2 ml lauwarme Flüssigkeit langsam über die Sonde eingeben, um den Sitz der Sonde zu kontrollieren und ggf. zu korrigieren. Anzeichen einer verrutschten Sonde sind: Husten, Regurgitieren, Erbrechen.
- Über Röntgenbilder des Brustkorbs (Thorax) lässt sich die korrekte Positionierung der Sonde am besten beurteilen.
- Die Fütterung über die Sonde muss langsam erfolgen und der Hund währenddessen gut beobachtet werden.
- Nach der Fütterung mit einigen Millilitern lauwarmer Flüssigkeit nachspülen, damit sich keine Futterreste in der Sonde ablagern.
- Bei einer Ösophagostomiesonde: mindestens einmal täglich die Nähte zur Fixierung vorsichtig reinigen und den Schutzverband erneuern.
Schema zur Parvovirose-Impfung
Je nach Impfstoff können für die Grundimmunisierung die folgenden Impfschemata angewendet werden.
- Drei Impfdosen: 6. Lebenswoche → 9. Lebenswoche → 12. Lebenswoche
- Vier Impfdosen: 8. Lebenswoche → 12. Lebenswoche → 16. Lebenswoche → 15. Lebensmonat
Hilfreiche Links auf einen Blick
- Schritt für Schritt: Legen einer Ösophagussonde
- Tabelle zur Mengenberechnung bei Sondenfütterung
- Checkliste für Durchfallpatienten
Über die Autorinnen
Denise S. Riggers promoviert und arbeitet als Tierärztin in der Abteilung Innere Medizin der Klinik für Kleintiere an der Veterinärmedizinischen Fakultät in Leipzig. Sie hält regelmäßig Vorträge und betreut Buchprojekte zu internistischen Themen.
Romy M. Heilmann ist Tierärztin und Universitätsprofessorin. Sie praktiziert, lehrt und betreut viele Forschungsprojekte an der Veterinärmedizinischen Fakultät in Leipzig im Bereich Innere Medizin für Kleintiere.
Kontakt zur Erstautorin: denise.riggers@kleintierklinik.uni-leipzig.de
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